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Diese Ansicht wurde auch von der Bundesversammlung angenommen, indem
auf Beschwerde der Landstände des Herzogthums Braunschweig, die Landschafts-
ordnung vom Jahre 1820 betreffend, am 4. November 1830 beschlossen wurde:
„Sr. Durchlaucht dem Herzoge von Braunschweig zu eröffnen, dass nach
Artikel 54 und 56 der wiener Schlussakte die in anerkannter Wirksamkeit be-
stehende neue Landschaftsordnung vom Jahre 1820 von Höchstdemselben nicht auf
anderem, als auf verfassungsmässigem Wege abgeändert werden könne.“
Auch war bereits der Herzog Carl durch Bedrohung mit der Bundesexecution -
genöthigt worden, durch Verordnung vom 22. April 1830 die berüchtigte Erklä-
rung vom 10. Mai 1827 zurückzunchmen.
Immer mehr häuften sich die Klagen über den Herzog Carl; Verletzung der
Regentenwürde, Eingriff in den Gang der Justiz, Willkür jeder Art kennzeichne-
ten seine Regierung. Am 6. und 7. September 1830 brach zu Braunschweig ein
Aufstand aus, welcher den Herzog Carl zur Jlucht bestimmte. Am 10. September
traf sein Bruder Herzog Wilhelm von Braunschweig-Ocls in Braunschweig ein;
am 27. September ersuchte die Landschaft den Herzog Wilhelm: „dass er die
Regierung übernehme — bei der auf die Grundsätze des allgemeinen Staatsrechts
gestützten Unmöglichkeit, dass der Herzog Carl die Regierung des Landes fort-
setze.‘
Am 28. September erliess Herzog Wilhelm ein Patent, worin er sich zur
einstweiligen Uebernahme der Regierung der braunschweigischen Lande bereit
erklärte!), aber keineswegs auf seine anfängliche Ernennung zum General-
Gouverneur durch den Herzog Carl Bezug nahm, welche dieser auch bereits am
18. November zurückgenommen hatte?). Darauf erliess Herzog Wilhelm am 26.
November 1830 ein neues Patent, worin er erklärte, dass, obgleich Herzog Carl
die ihm ertheilte Vollmacht zurückgenommen habe, er dennoch die Regierung des
Landes fortsetzen werde, weil jener sich gegenwärtig ausser Stand befinde, die
Regierung zu führen und weil er selbst, als nächster Agnat verpflichtet und
berechtigt sei, bei der derzeitigen Lage der Dinge für des Landes Wohl zu sorgen
und seine eigenen Rechte wahrzunehmen.
Gestützt auf ein ausführliches Commissionsgutachten, beschloss hierauf die
Bundesversammluug, „durchdrungen von der Uecberzeugung, dass unter den ob-
waltenden Umständen die Erhaltung der Ruhe und gesetzlichen Ordnung im Herzog-
thum Braunschweig eine, von der Autorität des Bundes ausgehende, unverweilte
Verfügung in Beziehung auf die Ausübung der Regierungsgewalt daselbst gebieterisch
erheische und dass eine definitive Anordnung wegen der künftigen Regierung dieses
Herzogthums von Seiten der Agnaten nach den Bestimmungen der Hausgesetze und
des Herkommens nicht werde umgangen werden können“, aın 2. December 1830:
1) Se. Durchlaucht Herzog Wilhelm von Braunschweig-Oels zu ersuchen, die
Regierung des Herzogthums bis auf weiteres zu führen, alles, was zur
1) Das Patent wregen einslweiliger Uebernahme der Regierung der braunschw. Lande *
in der Schrift „Der Aufs in Braunschweig“. S. 259,
2) Urkunde in "Der Aulzland usw 5