Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Erster Band: Anhalt, Baden, Bayern, Braunschweig. (1)

413 
hat von jeher, wie alle altfürstlichen Häuser, die Grundsätze des deutschen 
Fürstenrechts festgehalten, dass nur Ehen mit dem hohen reichsständischen 
Adel und mit wirklich regierenden auswärtigen Familien als ebenbürtig 
zu betrachten sind. Die dagegen angeführten Fälle, besonders die Verbindung 
Herzog Ottos mit Mechthild von Campen und Georg Ludwigs mit Sophia 
Dorothea, der Tochter der Eleonore d’Ölbreuse, sind dadurch zu 
erklären, dass hier ein ausdrücklicher agnatischer Consens hinzutrat, wodurch 
jede Ehe zu einer ebenbürtigen gemacht werden kann. Da aber ein solcher 
Consens in diesem Falle nicht vorlag, vielmehr der Widerspruch der Agnaten 
feststand, so musste die Ehe mit einer Dame von einem auswärtigen Adels- 
geschlechte, nach deutschem Fürstenrechte, wie nach braunschweigischen 
Familienherkommen, als eine Missheirath angesehen werden. Weder die be- 
hauptete Abstammung von Königen in weiblicher Linie, noch die angeblichen, 
früher besessenen Regierungsrechte der Familie über die Insel Man konnten 
der Lady Murray eine Standesgleichheit mit einem regierenden deutschen 
Fürstenhause beilegen "). 
So blieben denn auch die Ansprüche des August d’Este auf die Eigenschaft 
eines hannöverschen Prinzen unberücksichtigt. 
Wilhelm IV. starb am 20. Juni 1837 und damit wurde die seit 123 Jahren 
bestehende Personalunion zwischen Grossbritannien und Hannover gelöst. 
Mit der Thronbesteigung von Ernst August begann die Reihe eigener 
hannöverscher Könige. War staatsrechtlich auch Hannover immer ein von 
der grossbritannischen Krone völlig unabhängiges Land geblieben, so hatte es doch 
thatsächlich oft fremdartigen Interessen dienen, der englischen Politik sich 
yuterordnen müssen. Jetzt konnte Hannover unter einem eigenen, im Lande 
residirenden Könige, unter einer weise geordneten Staatsverfassung nur sich selbst 
und dein deutschen Gesammtvaterlande angehören. Eine neue glückliche Acra 
schien sich seiner staatlichen Entwickelung zu eröffnen. Aber diese Hoffnung wurde 
auf das bitterste getäuscht. Ernst August vernichtete durch das verhängnissvolle 
Patent vom 1. November 1837 das rechtmässig zustandegekommene, in voller 
Wirksamkeit stehende Staatsgrundgesetz vom 26. September 1833, das Werk 
reifer Berathungen, das schönste Ehrendenkmal seines königlichen Bruders, 
welches dem Volke Ordnung und massvolle Freiheit gleichmissig verbürgte. Diesen 
Rechtsbruch hat das gesammte Bewusstsein der deutschen Nation und die deutsche 
Rechtswissenschaft einstimmig verurtheilt?2). Durch die in dem Patent vom 5. Juli 
1837 und vom 1. November 1837 ausgesprochenen Ansichten wurden die chrwür- 
digsten Fundamentalsätze unsers deutschen Staats- und Fürstenrechts schwer ver- 
letzt, wonach insbesondere jeder Nachfolger durch alle verfassungsmässigen Hand- 
lungen seines legitimen Vorgängers, wie durch seine eigenen, unzweifelhaft 
  
1) Ueber diese Frage, besonders in Beziehung auf das Herkommen des Hauses Braun- 
schweig vergleiche man namentlich Eichhorns gründliche Erörterung S. 122—171. 
Siehe hierüber die ausführlichen Gutachten der Juristenfacultäten zu Heidelberg, Jena 
und Tübingen, herausgegeben von Dahlmann, und die hannörerschen Verfassungsfragen beant- 
wortet von Reyscher, Zeitschrift für deutsches Recht Bd. I. 1. Heft S. 176.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.