Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Zweiter Band: Hessen, Lippe, Mecklenburg, Reuß, Oldenburg. (2)

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setzte in weiblicher Linie den thüringischen Landgrafenstamm fort; in männ- 
licher Linie entstammte er dem uralten herzoglichen Hause von Brabant, wel- 
ches heutzutage noch, und zwar allein in dem gegenwärtigen hessischen Fürsten- 
hause fortlebt. 
Heinrich II. oder der Grossmüthige, Herzog von Brabant, war in erster Ehe 
mit Maria, Kaiser Philipps Tochter, in zweiter Ehe mit Sophia, der Tochter des 
Landgrafen Ludwig von Thüringen, vermählt. Aus erster Ehe stammte Hein- 
rich III. der Sanftmüthige, welcher, als Erstgeborener, im Herzogthum Brabant 
succedirte, aus zweiter Ehe entsprang Heinrich das Kind, welcher als Erbe 
seiner Mutter die hessischen Besitzungen erhielt. Man weiss nicht, auf welche 
Art der Erstgeborene sich mit seinem Stiefbruder Heinrich dem Kinde abfand. 
Dieser behielt Wappen und Titel eines Herzogs von Brabant bei und von einer 
Todtheilung zwischen den beiden Brüdern findet sich keine Spur, so dass Hein- 
rich das Kind von Hessen nicht einmal seine Ansprüche auf die brabantischen 
Stammgüter, bei Lebzeiten seines Stiefbruders, aufgeben wollte. Der Verzicht 
auf die Stammgüter in Brabant erfolgte erst 1279, ohne dass jedoch Heinrich das 
Kind sich seiner und seiner Nachkommen unveränderlichen Erbansprüche auf das 
Herzogthum Brabant begab). Als aber im Jahr 1356 mit Johann III, dem 
Triumphator, der Mannsstamm Heinrichs III. von Brabant erlosch, vermochte 
das landgräflich hessische Haus, als einziger Zweig des brabantischen Manns- 
stamımes, die Ansprüche auf Brabant nicht durchzusetzen, welche nach und nach 
ganz in Vergessenheit geriethen. 
Heinrich das Kind von Brabant nannte sich, in Folge seiner weiblichen Ab- 
stammang und seiner Ansprüche auf Thüringen, Landgraf und Fürst von 
Hessen, zuweilen auch Landgraf von Hessen. Obgleich Hessen keineswegs 
damals schon eine Landgrafschaft war, so galt es doch als allgemeine Sitte des 
deutschen Fürstenstandes, ursprüngliche Amtstitel, wie erbliche Familientitel auf 
ein beliebiges Land oder eine bestimmte Stammburg zu übertragen. Abweichend, 
aber leicht erklärlich ist hier nur, dass nicht der väterliche Herzogstitel, 
sondern der mütterliche Landgrafentitel angenommen und auf Hessen über- 
tragen wurde®). Diesen Titel gaben ihm auch Kaiser und Reichsfürsten, noch 
ebe er ein Lehensmann des Reiches wurde). 
Das hessische Besitzthum war anfänglich klein, erst allmählich wurde es 
durch Pfandschaft und Kauf, Heirathen und Erbschaften, Fehden, Vergleiche und 
andere Ereignisse immer mehr erweitert. Da sich die Herrschaft in Hessen auf 
uralte Stammgüter gründete, so war sie auch durchaus allodial. Heinrich I. 
1) Rommel, Geschichte von Hessen II. 8.40 und 8. 26: Henris par la gräce de Dien, Land- 
graves et Bire de Hesse verzichtet anf seine Rechte: „en aucuns allois, en aucuns hidritages et en 
aucuns aquds‘‘, die ihm von Seiten seines Vaters zukommen und über die bisher Streit war. Von 
einem Versicht auf das Erbfolgerecht Ist mit keinem Worte die Rede. 
%) Heinrich heisst seit 1365 gewöhnlich: „Lantgravius dominus terrae Hassise“, auch „bLant- 
gravius Hassiae dominus‘‘, zuweilen „Lantgravius et dominus Hassiae“. Rommel II. 8. 88. 
8) Sowohl Kaiser Rudolf im Jahre 1276 und 1291, als auch der Erzbischof Werner von Mainz 
1383, die Grafen von Ziegenhain 1378, die Stadt Frankenberg 1291, nannten Heinrich einen „Land- 
erafen von Hessen“, und in den Sn uanden wurde or ausdrücklich „erlanchter Fürst, Illustris prin- 
ps“ genannt. Rommel a.a. 0. 8. 39
	        
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