197
Leopold und Christian Ludwig II. Untgrdessen aber hatte der sechste Sohn Adolph
Friedrichs I, Adolf Friedrich II, welcher seinen Sitz zu Strelitz genonimen,
eine Linie angelegt. In dieser Zeit erlosch mit Herzog Gustav Adolph
am 26. Okt. 1695 die Linie Mecklenburg-Güstrow, über deren Ver-
lassenschaft der lebhafteste Erbfolgestreit erhoben wurde. In
der umfangreichen Deduktionenliteratur wurden die Rechtsauffassungen der ver-
schiedenen Erbprätendenten mit grosser Gelehrsamkeit vertreten !).
Adolf Friedrich II. behauptete gegen seinen Neffen, dass sich die Suc-
cession in das Herzogthum Mecklenburg-Güstrow lediglich nach der gemeinrecht-
lichen Gradualfolge zu regelu habe; Kurl Leopold, der zweite Sohn Fried-
richs, erkannte zwar die Linealfolgeordnung mit Primogenitur als maassgebend
an, behauptet aber daneben ein Herkommmen, nach welchem innerhalb der Primo-
geniallinie zwischen prinogenitus und secundogenitus getheilt werden müsste;
Friedrich Wilhelm, der erstgeborene Sohn Friedrichs, vertrat seinerseits
auch die Primogenitur, leugnete aber das von seinen jüngeren Bruder behaup-
tete Herkoinmen der Theiluug zwischen dem Erst- und Zweitgeborenen. Herzog
Friedrich Wilhelm ergriff, als der Erstgeborene der erstgeborenen Linie, von der
ganzen Güstrowschen Verlassenschaft Besitz. Sein Oheim Herzog Adolf Fried-
rich II. machte ihm, unter Berufung auf den näheren Grad seiner Verwandtschaft
mit Gustav Adolph, diesen Besitz streitig. Der von dem Reichshofrath zwischen
diesen beiden Erbprätendenten geführte Prozess — der nachgeborene minderjäh-
rige Bruder Karl Leopold machte seinen Standpunkt nur durch einen Protest
geltend — wurde unter Vermittelung einer kaiserlichen Commission, durch den
Hamburger Vergleich vom 8. März 1701 beendigt, welcher amı 26. dess. Monats
vom Kaiser bestätigt wurde.
III. Vom Bamburger Vergleich 1701 bis auf die Gegenwart.
Durch den Hamburger Vergleich erhielt Adolf Friedrich II., der zugleich
er Schwiegersohn Gustav Adolphs, des letzten Herzogs der Güstrower Linie war,
die gesanımte Herrschaft Stargard, nebst Mirow und Nemerow, zu voller Aus-
übung der jura territorii et superioritatis und dazu das ehemalige Bisthum, jetzige
Fürstenthum Ratzeburg. Als Fürst von Ratzeburg erhielt er auch Sitz und
Stimme auf dem Reichstage, während die Reichsstandschaft des Herzogthums
Mecklenburg bei Schwerin verblieb. Gemeinschaftlich bei dieser Landestheilung
blieben die Landstände, das Consistorium und die Kirchenordnung, sowie das
Hof- und Landgericht. Der Hamburger Vergleich ist bis auf den heu-
tigen Tag das fundamentale Hausgesetz, auf welchem das gegen-
seitige Verhältniss der beiden regierenden Linien Mecklenburg-
Schwerin und Mecklenburg-Strelitz beruht. (Urkunde Nr. HL) Durch
dieses Hausgesetz wurde auch das Recht der Erstgeburt für beide
1) v. Kamptz, Beiträge V 8.72.88. Böhlau, Mecklenb. Landrecht 8. 97.