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Posthumus 1572— 1635, der Stammvater aller Speciallinien der
jüngeren Linie, wurde der Ordner und Gründer einer festen Staats- und
Rechtsordnung, der Organisator der Behörden, der grosse Wohlthäter seines
kleinen Landes. Er veranstaltete 1599 die zweite Auflage der geraischen Kon-
fession vom J. 1567, ordnete 1600 in seinem Lande Kirchen- und Schulvisitationen
an, errichtete 1604 ein Hofregiment (Kanzlei) und ein Konsistorium mit einer
Konsistorialinstruktion, gründete 1608 das Gymnasium illustre (Rutheneum) zu
Gera, errichtete 1613 das reussische Appellationsgericht, erlangte ein beschränktes
privileg. de non appellando, erneuerte das Münzrecht und tilgte, trotz der Drang-
sale des dreissigjährigen Krieges, die Schulden seines Landes grösstentheils.. Er
gab durch Kauf und andere Erwerbungen seinem Lande den Um-
fang, welchen das Fürstenthum Reuss j. L. noch h. z. T. inne hat.
Nach seinem Tode regierten seine Söhne anfänglich, nach dem Willen des Vaters,
gemeinsam bis zur Volljährigkeit der beiden jüngeren und bis zur Tilgung der
Landesschulden. Im J. 1646 schritten Heinrich II., IX. und X. und ihr Neffe
Heinrich I., der Sohn des bereits 1640 verstorbenen Heinrich IIL zur Theiluug
der väterlichen Lande. Heinrich II. erhielt Gera, Heinrich IX. Schleiz, Hein-
rich X. Lobenstein, Heinrich I. Saalburg mit Dörfern von Schleiz und Lo-
benstein. Als bereits 1666 Heinrich IX. unvermählt starb, bekam Heinrich I.
das Gebiet Schleiz, Saalburg wurde vertheilt, so dass nun die drei Speziallinien
Gera, Schleis und Lebenstein ınchr als ein Jahrhundert selbstständig neben einander
standen, bis endlich im Jahre 1848 Schleiz das Erbtheil aller Linien wieder
vereinigte. "
Uebrigens unterscheiden sich diese neuen Theilungen der Jahre 1646 und
1666 von den früheren dadurch, dass sie die Zusammengehörigkeit der
Theile und Linien bestimmter festhalten und durch gleichzeitige und nachträg-
liche Anordnungen bekräftigen (Wahrung der gesammten Hand). Besonders wur-
den die von dem gemeinsamen Stammvater Heinrich Posthumus getroffenen werth-
vollen staatlichen Einrichtungen aufrecht erhalten. In Gemeinschaft blieben nicht
nur die von jenen errichteten Oberbehörden, die Landesregierung und das Kon-
sistorium, jene zugleich als oberste Justizbehörde, dieses unter Beiziehung des
Superintendenten und eines zweiten Geistlichen von Gera, als Oberbehörde für
kirchliche Verwaltung und Ehescheidungssachen, sondern auch die allgemeine
Gesetzgebung und das Gymnasium zu Gera. Neben diesen allgemeinen Instituten
hatte jede Speziallinie wieder ihre besondere Landesdircktion, als Landesbehörde
und eine besondere Behörde für die Verwaltung des Domanialvermögens. Im
J. 1664 traten sämmtliche regierende Herren der alten und der jüngeren Linie
auf einem Familienkongresse zu Gera zusammen, um ihre Hausangelegenheiten
durch ein umfassendes Hausgesetz zu ordnen. Bis dahin enthielten die vorhan-
denen urkundlichen Akten fast gar keine dauernden hausgesetzlichen Bestimmungen.
Bei den unzähligen Landestheilungen begnügte man sich damit die einzelnen Quoten
festzusetzen und nur bezüglich einzelner gemeinsamer Intraden, z. B. Bergwerke,
Trankzehnte u. s. w. Bestimmungen zu treffen.