Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Bon Kaufs- und Verlaufsgeschäften. 619 
§. 107. Geldzinsen, Kornpächte der Unterthanen, Zehnten, Dienstgelder, Ab- 
(chos lullanhen Hebungen dieser Art, gebühren dem Käufer, so weit sie nach der Ueber- 
gabe fällig sind. 
§. 108. Was der Substanz der Sache, nach geschlossenem Vertrage, durch na- 
türliche An- und Zuwüchse noch beitritt; und davon, zur Zeit der Uebergabe, vermöge 
des gewöhnlichen Nutzungsrechts noch nicht abgesondert ist, gehört dem Käufer, und 
muß ihm. mit der Sache zugleich, übergeben werden?). 
§. 109. Keiner der Kontrahenten kann, wider des andern Willen, Sache und 
Kaufgeld zugleich nutzen 7o). 
Die Unterscheidung der Pacht= und Miethzinsen von den Geld= und is worllber 
der folgende §. 107 eine andere Bestimmung mifft, hat keinen sachlichen Grund; sie ist gesen die 
eingegangenen Erinnerungen und gegen Snarez' Vorschlag getroffen worden, aus einem nicht be- 
kanuten Grunde. (Ges.-Rev. Pens. XIV, S. 37.) 
69) Dazu gehören auch die Ablosungskapitalien (vergl. die Anm. 1 iu §. 49 des Rentenbank-G. 
im Tit. 8, Th. 11) und die für abgelöste Berechtigungen angewiesenen Landabfindungen. Gileichsalls 
muß das Vorkaufsrecht, welches in der Zwischenzeit bei der Auflösung einer Eisenbahngesellschaft auf 
die zur Eisenbahnanlage expropri#rten, nun dem gemeinen Verkehre zurückfallenden Grundstlicke dem 
Besitzer eines Gutes erwächst, dem Käufer des Gutes zustehen, und wenn es der Verkäufer vor der 
Uebergabe ausibt, ist er #ehautrn- das zurückgekaufte Grundstück dem Käufer des Gutes, gegen Ver- 
gütung der auf die Rllckerwerbung gemachten Verwendungen, mit zu Übergeben, ohne daß es für 
den Letzteren eines besonderen Tilels (Konmakts) bedarf. 
70) Vergl. 88. 227, 291 d. T., und L. 13, öS#. 20, 21 D. de act. emti (XIX, 1); L. 5 C. 
eodem (IV. 49). Die Regel lautet nicht: Keiner der Kontrahenten kann Sache und Kaufgeld zugleich 
nutzen; sondern einschränkend: daß dies nicht wider den Willen des Andern geschehen kann. Die 
Krage ist: wann anzunehmen sei, daß es wider den Willen des Andern geschehe. Einerseiks ist die 
einung hervorgetreten, daß es in allen Fälen anzunehmen, in welchen Kaufgelder erst nach der 
Uebergabe geahl werden sollten und im Vertrage nichts über die Verzinsung bestimmt worden sei. 
(Gusche des Obertrib. Bd. XIII, S. 179.) Gegen diese Meinung sind zwei Präsudige des Obertr. 
gerichtet: 
Nr. 62, vom J.1833. Der Käufer eines Grundstücks, welchem im Kaufkontrakte die Befreiung 
desselben von den darauf haftenden Schulden und Realverbindlichkeiten bis zur Verlautbarung des Kon- 
trakts zugesagt. und für den Fall der Nichterfüllung dieser Zusage das Rccht vorbehalteu ist, das Rest- 
kaufgeld, welches er bis zu einem bestimmten Zeitpunkte verzinsen sollte, bie zur vollständigen Erfül- 
lung des Gegentheils retiniten zu können, — ist nicht verpflichtet, das rstlaufgeld über diesen Zeit- 
pun Dinaue bis zur viel später geleisteten Liberation des Fundi zu verzinsen, obwohl das Grundstück 
schon beim Kontraktsabschlusse naturaliter übergeben worden. Die Vorschrift des F. 109 findet hier 
keine Anwerndung, weil sie un Falle der Anwendung gegen den Käufer voraussetzt, einmal, daß ihm 
eine vertragsmäßige Uebergabe geleistet, und zweitens, daß von ihm wider den Willen des ande- 
ren Theils res et pretium gennet sei. 
Nr. 1742, v. 9. April 1846. Wenn in einem Kanufkontrakte für die Zahlung des Kaufgeldes 
Tenmine festgesetzt sind, welche erst nach der Uebergabe der Sache eintreten, ohne Zinsen vom Kauf- 
gelde vorzubedingen, so können diese erst seit dem Eintritte der Fälligkeitstermine gefordert werden. 
(Entsch. Bd. XIII. S. 178.) 
Diesen Rechtssätzen ist Nustimmen. Dagegen will eine andere Meinung geltend machen: daß 
nur die Kaufgelder zu verzinsen seien, deren baare Zahlung bei der Uebergabe versprochen, aber nicht 
geleistet wurde, daß hingegen die Kaufgelder für kreduirt zu erachten, nach §. 361 d. T., rücksichtlich 
deren solche Festsetzung nicht getrofsen worden (Entsch, des Obertr. Bd. XIII. S. 181). Dies ist nicht 
anzuerkenuen. Der 6. 861 hat das Geben von Sachen auf Kredit zum Gegenstande und sag Wann 
anzunehmen sei, daß Sachen auf Kredit gegeben worden, ist 88. 224 — 227 bestimmt. iese aber 
beziehen sich hauptsächlich auf die Befugniß zum Rücktritte von dem Kontrakte bei ausbleibender Zah- 
lung, salls der Verkäufer das Kaufgeld nicht geborgt hat (§. 226), und bestimmen nur nebenher (F. 227), 
daß der Verkäufer, wenn er nicht zurücktritt und der Känufer die baar bedungene Zahlung bei der 
Uebergabe nicht leistet, auch Zögerungsziusen vom Tage der Uebergabe fordern könne. Das versteht 
sich von selbst, wegen der mora solvendi. Dadurch wird unsere Pu nicht entschieden. Für den 
Fall, wo im Kontrakte ein Zahlungstermin ausdrücklich festgesetzt worden ist, brauchrun wir keine ge- 
setzlichen Bestimmungen. Diese (8§. 221, 93) sind eben nur den Fall nöthig, wenn die Parteien 
nichts ausdrücklich oder besonders ausgemacht haben. Und nun kommen wir auf die obige Frage 
wieder zurück: wann anzunehmen sei, daß der Käufer Sache und Kausgeld zugleich wider den Willen 
des Verkäufers nutze, wenn üÜber die Zahlung des Kaufpreises der Kontrakt schweigt. In solche vLücke 
tritt der §. 221 d. T.: „Gegen Empfang der Sache ist der Käufer das Kaufgeld sofort zu erlegen
	        
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