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einer auswärtigen Grossmacht gesucht und gefunden hätte. Die Bestrebungen
der Gottorper ihre verloren gegangenen Besitzungen in Schleswig zurück zu er-
halten, beunruhigten fast vierzig Jahre lang‘ den Norden Europas. Schweden
war seit 1720 für lange Zeit mit Dänemark im guten Einvernehmen. Daher
wandte sich Herzog Karl Friedrich an die neu aufsteigende Macht Russlands.
Peter der Grosse verlobte ihm seine Tochter Anna und forderte von Dänemark
die Herausgabe Schleswigs an seinen Schwiegersohn, den Herzog von Gottorp;
doch blieb diese Forderung ohne Erfolg. Erst mit der Thronbesteigung der
Kaiserin Elisabeth gingen dem gottorpischen Hause bessere Zeiten auf. Peter
d. Gr. hatte am 5. Febr. 1722 eine Verordnung erlassen, wodurch die bisherige
Thronfolge nach Geblütsrechte aufgehoben und solche lediglieh dem Willen des
regierenden Monarchen überlassen wurde. Kraft dieses Reichsgrundgesetzes
setzte die Kaiserin Elisabeth, Tochter Peter des Grossen, den Sohn ihrer Schwe-
ster Anna, Karl Peter Ulrich, Herzog von Holstein-Gottorp 1742 zu ihrem
Nachfolger cin, welcher im J. 1762 unter dem Namen Peter IH. den russischen
Kaiserthron bestieg, sofort aber durch eine Revolution entthront wurde. Ihm
folgte seine Gemahlin Katharina II. (geb. Prinzessin von Anhalt-Zerbst), dieser
ihr Sohn Paul I. 1796—1801, aus dem Hause Holstein- Gottorp. Dieser Kaiser
erliess am 5./16. August 1797 eine Successionsakte, worin er unter Beseitigung
der Verordnung Peters I., das Recht der agnatischen Linealfolge und der Erst-
geburt für seine Descendenz einführte und dem Weibsstamme nur ein subsi-
diäres Successionsrecht nach dem Erlöschen des ganzen Mannsstammes einräumte.
Erst dureh diese Successionsakte wurde die Erbmonarchie in Russland begründet
und das Thronfolgerecht dieses Reiches dem der übrigen europäischen Staaten
gleichgestellt. Seit dieser Zeit besitzt die ältere Linie des Hauses
Holstein-Gottorp den russischen Kaiserthron und ist Se. Maj. der
Kaiser von Russland, Chef des Gesammthauses, sowie insbesondere der ältern
Linie des Hauses Holstein-Gottorp. (Ausdrücklich anerkannt im oldenburgischen
Hausgesetz Art. 4.)
Aber Kaiserin Elisabeth bahnte dem Hause Holstein-Gottorp noch den Weg
zu einem andern curopäischen Throne. In den Aboer Friedensverhandlungen for-
derte sie von den schwedischen Reichsständen, dass sie den Repräsentanten der
zweiten Gottorper Linie, den Bischof Adolf Friedrich von Lübeck zum Thron-
folger erwüählten. So geschah es im J. 1743. Nach dem Tode Friedrichs I. (von
Hessen-Kassel) folgte Adolf Friedrich als König von Schweden und erhielt die
Thronfolge für seine männlichen Leibeserben zugesichert. Schon bei Lebzeiten
seines Vorgängers leistete der Kronprinz Adolf Friedrich eine Reihe von Ver-
zichten zu Gunsten seiner Agnaten. Durch die Konvention von Stockholm vom
8. Okt. 1750 trat er das Bisthum Lübeck seinem jüngern Bruder Friedrich August
nebst den oben erwähnten beiden Familienfideikommissen ab. In einem Präli-
minarvertrage vom 7. Aug. 1749 mit der Krone Dänemark versprach er gegen
200,000 Thir. auf Schleswig zu verzichten und Holstein, wenn es an ihm fallen
sollte, gegen Oldenburg und Delmenhorst auszutauschen. Unterm 25. April 1750
folgte der Definitivvertrag zu Kopenhagen zwischen dem Könige von Dänemark