216 3. Abschnitt. Polizei.
soll oder nicht. Wird die Frage bejaht, so steht die Ent-
scheidung über die zu wählende Form der Zwangserziehung,
ob Familien- oder Anstaltserziehung einzutreten habe, dem
Ministerium, A. d. IL, zu. Da es sich um eine Angelegenheit
handelt, bei der neben dem Wohle des Kindes die persönliche
Freiheit und die Elternrechte einerseits und das allgemeine
polizeiliche Interesse andererseits gleichermaßen beteiligt sind,
so ist bestimmt, daß der amtsgerichtliche Beschluß den Eltern
bzw. vormundschaftlichen Vertretern sowie dem Landratsamte
zu eröffnen ist, und daß beiden Teilen das Beschwerderecht
binnen zwei Wochen zusteht. Den Eltern und vormundschaft-
lichen Vertretern ist dieses Recht jedoch, um einem etwaigen
Bestreben auf Abschiebung des Kindes vorzubeugen, nur für
den Fall, wenn der Gerichtsbeschluß auf Unterbringung lautet,
eingeräumt.
Das Gesetz kennt die Einrichtung der vorläufigen
Entlassung; letzteres soll das Recht der Zwangserziehung
nicht berühren, aber durch Anspornung der Eltern und Zög-
linge auf die zeitliche Verkürzung hinwirken sowie die Möglich-
keit eröffnen, in einem niederen Grade der Aufsicht die Be-
teiligten zu prüfen, ehe der staatliche Zwang endgültig auf-
gehoben wird.
Die durch die Zwangserziehung veranlaßten Kosten sind
vorläufig aus der Staatskasse zu bestreiten. Es sind jedoch
die durch die Unterbringung zur Zwangserziehung erwachsenden
Kosten der Hin- und Zurückreise, der Ausstattung, ein Vierteil
der Kosten der Erziehung und Verpflegung sowie die Kosten
für ein angemessenes Unterkommen bei der Entlassung von
demjenigen Armenverbande zu erstatten, welcher zur Zeit der
Leistung endgültig zur Unterstützung des Zöglings nach Maß-
gabe des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz ver-
pflichtet ist.
Seit 1896 sind im Fürstentum die Korrektionsmaßregeln
in denjenigen Fällen, in welchen die Zwangserziehung verfügt
worden ist, in der Regel in der unter der Bezeichnung
„Wilhelmstift“ zu Frankenhausen errichteten Erziehungsanstalt
für sittlich gefährdete und verwahrloste Kinder vollstreckt
worden. Diese Anstalt verdankt einem Liberalitätsakte eines
Bürgers der Stadt Frankenhausen ihre Entstehung und dient