62 2. Abschnitt. Die staatlichen Organe u. Funktionen.
scheidung verhängt. Bei der förmlichen Disziplinarunter-
suchung, die durch ein Dekret des Kirchenrats eröffnet wird,
werden die Zeugen vereidigt. Nach Schluß der Untersuchung
wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der erhobenen Be-
weise vernommen und ihm eine angemessene, ausschließliche
Frist zur Einreichung einer schriftlichen Verteidigung ge-
währt. Gegen die von dem Kirchenrat zu erteilende Ent-
scheidung kann der Angeschuldigte innerhalb zehn Tagen nach
Eröffnung derselben Rekurs an das Ministerium einlegen. Der
Rekurs hat aufschiebende Wirkung; nur die im Laufe der
Untersuchung etwa verhängte vorläufige Suspension bleibt bis
zur definitiven Entscheidung bestehen. Das Ministerium be-
stätigt oder mildert das erste Erkenntnis durch ein mit
Gründen versehenes, der landesherrlichen Bestätigung zu unter-
breitendes Urteil. Eine Verschärfung des ersten Erkennt-
nisses ist unzulässig. (V. vom 13. Mai 1859.)
8 36.
III. Das Verfahren zum Zwecke der Aufrechterhaltung
kirchlicher Ordnung.
Geistliche dürfen in der Regel kein Mitglied der Ge-
meinde von Beiwohnung des Gottesdienstes oder von den
Sakramenten ausschließen. Findet ein Geistlicher Bedenken,
ein Mitglied zuzulassen, so muß er demselben das Bedenken
rechtzeitig mit Schonung eröffnen. Besteht dasselbe dennoch
auf seiner Zulassung, so hat der Geistliche den Vorfall dem
Superintendenten anzuzeigen, und dieser hat, wenn der Geist-
liche oder das betreffende Kirchenglied bei der Entscheidung
sich nicht beruhigt, dem Kirchenrat zu berichten. Bei dessen
Ausspruch behält es sein Bewenden. Wenn aber jemand zu
einer gottesdienstlichen Handlung in der Trunkenheit, in an-
stößiger Kleidung oder sonst in einem Zustande sich einfindet,
in welchem er ohne offenbaren Anstoß und grobes Ärgernis
der Gemeinde oder seiner NMitgenossen bei dieser Handlung
nicht zugelassen werden kann, so darf ihn der Geistliche von
der gottesdienstlichen Handlung zurückweisen, hat aber dem
Kirchenrate davon Anzeige zu machen.
Der zuständige Pfarrer darf von dem ihm zustehenden
Rechte der Zurückweisung eines Kirchengliedes von dem