Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

82 I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 17. 18. 
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Königlichen Insiegel. 
Gegeben Berlin, den 5. April 1873. 
(L. S.) Wilhelm. 
Gr. v. Roon. Fürst v. Bismarck. Gr. v. Itzenplitz. Gr. zu Eulenburg. 
Leonhardt. Camphausen. Falk. v. Kameke. Gr. v. Königsmarck. 
Die päpstliche Eucyclica vom 5. Februar 1875, welche die bis dahin erlassenen 
Kulturkampfgesetze für nichtig erklärte, ließ es die Staatsregierung wünschenswerth er- 
scheinen, in der Specialgesetzgebung nicht durch die, wenn auch deklarirten, Verfassungs- 
bestimmungen behindert zu sein, und veranlaßte das 
Gesetz über Aufhebung der Artikel 15, 16 und 18 der Verfassungs- 
urkunde vom 31. Januar 1850. Vom 18. Juni 1875. (Ges.-Samml. S. 259.) 
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen Lcc. 
verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, 
was folgt: 
Einziger Artikel. 
Die Artikel funfzehn, sechszehn und achtzehn der Verfassungsurkunde vom 
31. Januar 1850 sind aufgehoben. 
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Königlichen Insiegel. 
Gegeben Bad Ems, den 18. Juni 1875. 
(L. S.) Wilhelm. 
Fürst v. Bismarck. Camphausen. Gr. zu Eulenburg. Leonhardt. Falk. 
v. Kameke. Achenbach. Friedenthal. 
Diese Aufhebung ist natürlich keine Annullirung nach Rückwärts. Soweit durch 
die aufgehobenen Artikel ältere Staatsgesetze, z. B. §§ 117, 118 A. L. R. II. 11 über das 
placetum regium, wirklich beseitigt sind, sind letztere auch durch die Aufhebung der 
betr. Artikel nicht wieder in Kraft getreten. Die aufgehobenen Artikel bleiben immer 
noch insofern von Bedeutung, als nach ihrer ursprünglichen Fassung und Tragweite zu 
beurtheilen ist, welche Vorschriften des Landrechts und der früheren Gesetze von ihnen 
beeinflußt worden sind. 
Artikel 17. 
Ueber das Kirchenpatronat und die Bedingungen, unter welchen 
dasselbe aufgehoben werden kann, wird ein besonderes Gesetz ergehen. 
Das Institut des Patronats hat auf dem Boden der katholischen Kirche stets zu 
Streitigkeiten zwischen den Berechtigten und den kirchlichen Oberen geführt, auf dem der 
evangelischen Kirche der Entwicklung einer selbstständigen Gemeindeverfassung wesentliche 
Schwierigkeiten in den Weg gelegt und bei dem dinglichen Patronat durch die freie 
Veräußerlichkeit und Theilbarkeit des Grundbesitzes jegliche innere Bercchtigung verloren. 
In Konsequenz des Art. 15 bestimmt daher Art. 17 seine Aufhebung. Trotz wiederholter 
Anregungen seitens des Abgeordnetenhauses ist gleichwohl das verheißene Gesetz bis jetzt 
nicht ergangen. Die besonderen, mannigfach zersplitterten Bestimmungen sind also in Kraft 
geblieben, für den Geltungsbereich des Allgemeinen Landrechts die §§ 568—617 II 11. 
Artikel 18. 
Das Ernennungs-, Vorschlags-, Wahl- und Bestätigungsrecht bei Besetzung kirch- 
licher Stellen ist, soweit es dem Staate zusteht und nicht auf dem Patronat oder be- 
sonderen Rechtstiteln beruht, aufgehoben. 
Auf die Anstellung von Geistlichen beim Militür und an öffentlichen Anstalten 
findet diese Bestimmung keine Anwendung. 
Art. 18 ist zuerst abgeändert durch das Gesetz vom 5. April 1873 und sodann 
aufgehoben durch das Gesetz vom 18. Juni 1875. Siehe Anmerkung zu Nrt. 15, 16.
	        
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