Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 21. 85 
Es ist noch die Frage zu berühren, ob zu den durch Art. 112 vorläufig fuspendirten 
Artikeln auch Art. 20 gehört. v. Rönne Bd. 2 § 168 S. 454 bemerkt dazu: 
Uebrigens kann nicht angenommen werden, daß der Art. 20 der Verfassungs- 
urkunde zu den nach dem Art. 112 derselben einstweilen noch suspendirten gehöre; 
denn der Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre ist ein 
solcher, welchem kein ihn ausschließendes, noch in Kraft stehendes Gesetz entgegen- 
steht, und es würde daher schon jetzt eine Verletzung des Art. 20 sein, wenn der 
Grundsatz desselben durch Verwaltungsmaßregeln versummert oder aufgehoben wer- 
den wollte. 
In dem obigen — S. 83/84 — Citat von S. 451 nennt v. Rönne wiederholt 
die „Art. 20—25“, wodurch in seine Darstellung, wenn nicht ein Widerspruch, doch eine 
gewisse Unklarheit hineingetragen wird. 
Bei der Berathung des Art. 112 wurde von dem Abgeordneten Kisker — dem 
gewesenen Justizminister — darauf hingewiesen, wie die Giltigkeit des Grundsatzes des 
Art. 20 durch die Uebergangsbestimmung des Art. 112 nicht berührt werde und die 
Regierung selbst gewiß nicht der Ansicht sein könne, daß der Art. 20 nicht schon jetzt 
zur Anwendung kommen müsse (Stenogr. Ber. der I. Kam. 1819/1850 Bd. 4 S. 1969). 
Abgesehen hiervon wird in der staatsrechtlichen Litteratur der Art. 20 mit den Art. 
21 bis 25 zusammengczogen, die suspendirende Bestimmung des Art. 112 also auch auf 
ihn erstreckt. Dies ist fehlsam. Die Wissenschaft und ihre Lehre fällt keineswegs mit 
Schule und Unterricht zusammen. Wie selbst die reinwissenschaftlichen Unterrichtsanstalten 
einschließlich die Universität zu ihren Unterrichtsgegenständen auch solche zählen, die 
nicht wissenschaftlicher Natur sind weibliche Handarbeiten, Turnen, Schwimmen, 
Tanzen, Reiten, Fechten —, so wird andererseits auch außerhalb der Schule und Uni- 
versität wissenschaftlich gearbeitet und gelehrt. Wer einen Kommentar zur Preußischen 
Verfassungsurkunde ausarbeitet, beschäftigt sich wissenschaftlich, und wenn er ihn in Druck 
und Verlag verbreitet, so will er wissenschaftlich belehren. Sollte der Kommentator 
wirklich an die Beschränkung des Art. 112 gebunden sein? 
mDie Unterrichtsanstalten sind: 
1. Volksschulen; neben diesen können Mittelschulen (Bürger-, höhere Knaben-, 
Stadt-, Rektoratsschulen) eingerichtet werden, und als ihre Ergänzung erscheinen die 
Fortbildungsschulen (ländliche, gewerbliche, Innungsfachschulen); 
2. höhere Schulen: Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen einer-, Pro- 
gymnasien, Realprogymnasien und Realschulen andererseits; 
3. Universitäten und (2) katholisch-theologische Fakultäten. 
Besondere Schulen bilden die Blinden= und Taubstummenanstalten. 
Fachschulen sind die Militärschulen, Forstschulen, Bergschulen, Landwirthschafts- 
schulen, Navigationsschulen, Bangewerk= und gewerblichen Fach= und Zeichenschulen, 
öuhtrg technischen Hochschulen, Bergakademien, Hebammenanstalten, Thierarzenei- 
chulen. 
Zur Ausbildung der Volksschullehrer dienen die Seminare und Präparanden- 
anstalten. 
j. Abs. 2 statuirt die Schulpflicht, den Schulzwang. Er giebt auf der einen Seite den 
Kindern ein Recht auf Unterricht und nöthigt auf der anderen Seite die Eltern und 
deren gesetzlichen Vertreter, ihren Kindern und Pflegebefohlenen den zur allgemeinen 
Volksbildung erforderlichen Unterricht zukommen zu lasten. Dies ist übrigens schon vor 
Emanation bezw. Einführung der Verfassungsurkunde in allen Provinzen geltendes 
Recht gewesen. Das Allgemeine Landrecht bestimmt in Th. 1II. unter Tit. 12. 
§ 43. Jeder Einwohner, welcher den nöthigen Unterricht für seine Kinder 
in seinem Hause nicht besorgen kann, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem fünften 
Jahre zur Schule zu schicken. 
. Ihnen — den Schulaufsehern — liegt es ob, unter Beistand der 
Obrigkeit, darauf zu sehen, daß alle schulfähigen Kinder nach obigen Be- 
stimmungen, erforderlichen Falls durch Zwangsmittel und Bestrafung der nach- 
lässigen Eltern, zur Besuchung der Lehrstunden angehalten werden. 
Die Allerhöchste Kabinetsordre vom 14. Mai 1825, betreffend 
die Schulpflichtigkeit und Schulzucht in den Provinzen, wo das All- 
gemeine Landrecht noch nicht eingeführt ist (Ges.-Samml. S. 149) setzt fest: 
Damit im ganzen Umfange der Monarchie die Schulzucht mit Erfolg ge- 
handhabt und nirgend der Schulbesuch vernachlässigt werde, setze Ich, auf den Antrag
	        
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