Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 24. 99 
Staatsbeamten erklärt. In welcher Ausdehnung und mit welcher praktischen Wirksam- 
keit, hat das künftige Unterrichtsgesetz festzusetzen. Die Volksschullehrer sind mittelbare 
Staatsbeamten und sind unmittelbar nur dann, wenn ihre Anstellung durch den Staat 
erfolgt. Sämmtliche Lehrer und Lehrerinnen haben bei ihrer ersten Anstellung, es sei 
dieselbe eine definitive, provisorische oder interimistische, den vorgeschriebenen Diensteid 
zu leisten (Reskript vom 6. Oktober 1873, Verwaltungs-Minist.-Bl. 1874 S. 11). 
Artikel 24. 
Bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen sind die kon- 
fessionellen Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen. 
Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffen- 
den Religionsgesellschaften. 
Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule steht 
der Gemeinde zu. Der Staat stellt, unter gesetzlich geordneter Be- 
theiligung der Gemeinden, aus der Zahl der Befähigten die Lehrer 
der öffentlichen Volksschulen an. 
A. Art. 24 ist nach Art. 112 bis zum Erlaß des in Art. 26 verheißenen Unterrichts- 
gesetzes suspendirt, Anmerk. A. zu Art. 21, oben S. 83. Somit gilt das außerhalb 
der Verfassungsurkunde bestehende Recht, an erster Stelle die Allgemeine Verfügung 
über Einrichtung, Aufgabe und Ziel der Preußischen Volksschule, vom 15. Oktober 1872 
(Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung S. 585, Art. 21 Anmerk. C. 1, 
oben S. 86. Oberverwaltungsgericht 29. September 1876, Entscheidungen Bd. 1 S. 179). 
B. Allerdings sind, wie § 1 A. L. R. II. 12 es ausdrückt, die Schulen „Veranstaltungen 
des Staates, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissen- 
schaften zur Absicht haben", aber der Religionsunterricht soll der Volksschule nicht ent- 
zogen werden, vielmehr sind bei ihrer Einrichtung die konfessionellen Verhältnisse mög- 
lichst zu berücksichtigen. Es lassen sich folgende vier Schulsysteme unterscheiden: 
1. Die kirchliche Schule. Diese, evangelischen oder katholischen Bekenntnisses, beruht 
auf den vier Merkmalen, daß der Religionsunterricht ihr Hauptgegenstand ist; daß 
alle Lehrgegenstände, auch außer dem Religionsunterrichte, den höchsten Religions- 
wahrheiten und dem Erziehungszwecke der kirchlichen Lehre untergeordnet werden; 
daß das Lehrerpersonal der kirchlichen Konfession angehört, da die Anstalt selbst 
kirchliches Institut ist; endlich, daß die Oberaufsicht der Kirche aus eigenem Rechte 
gebührt und mit der geistlichen Hierarchie als solcher verbunden erscheint. 
2. Die konfessionslose Schule (Kommunalschule). In derselben wird kein Religions= 
unterricht ertheilt, der Unterricht ermangelt jeglicher konfessionellen Färbung, die 
Konfession der Lehrer ist gleichgiltig, die Oberaufsicht steht dem Staate zu. 
3. Die landrechtliche Volksschule Preußens, auf dem Boden der Bestimmungen von 
A. L. R. II. 12. Bei dieser ist der Religionsunterricht als obligatorischer Theil des 
Lehrplanes ausnahmslos anerkannt, Kinder anderer Konfession, als der in der 
Schule gelehrten, sind aber von der Theilnahme daran entbunden. Der wissen- 
schaftliche Unterricht ist völlig selbstständig neben dem Religionsunterricht und muß 
vom allgemein wissenschaftlichen und pädagogischen Standpunkte aus ertheilt werden. 
Die Bildung eines selbstständigen Lehrerpersonals ist die nothwendige Folge der 
Auflösung der kirchlichen in die Staatsschule, und die Staatsaufsicht über das 
Unterrichtswesen ergiebt sich aus der Natur der öffentlichen Schulen als Staats- 
anstalten. „Die gesetzmäßige Preußische Volksschule ist somit die, in welcher die 
Religion konfessionell gelehrt werden muß, die Wissenschaft nicht konfessionell gelehrt 
werden darf, die Staatsaufsicht in diesem Sinne gehandhabt werden soll“ (Worte 
Gneist's). 
4. Die Simultanschule. In dieser wird sowohl evangelischer, als auch katholischer 
Religionsunterricht ertheilt, und die Religionslehrer gehören der Konfession der von 
ihnen gelehrten Religion an, während im Uebrigen die Konfession der Lehrer gleich- 
giltig ist. Die Oberaufsicht steht dem Staate zu. 
Von diesen vier Systemen entbehren die beiden ersten in Preußen der gesetzlichen 
Grundlage und, obgleich von entgegengesetzten Seiten erstrebt, bis jetzt der thatsächlichen 
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