I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 35. 115
B. Das Reichskriegswesen beruht auf folgenden grundlegenden Neich-gesetzen:
. Verfassung für das Deutsche Reich Art. 4 Nr. 14, Art. 57 bis 68;
Gesetz, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867
(Bundes-Gesetzbl. d. Nordd. Bundes S. 131);
Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 (Reichs-Gesetzbl. S. 45);
Gesetz, betreffend Ergänzungen und Aenderungen des Reichsmilitärgesetzes vom
2. Mai 1874, vom 6. Mai 1880 (Reichs-Gesetzbl. S. 103);
.-Gesetz, betreffend Aenderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 (Reichs-
Gesetzbl. S. 11);
uDeutsche Wehrordnung vom 22. November 1888 (Centralblatt für das Deutsche
Reich 1889 S. 1), mit Abänderung insbesondere durch den Allerhöchsten Erlaß
vom 14. und Bekanntmachung vom 20. März 1890 (ebenda S. 63 und 69) und
20. November 1893 (ebenda S. 240);
7. Gesetz, betreffend die Friedenspräsenzstärke des Deutschen Heeres, vom 3. August
1893 (Reichs-Gesetzbl. S. 233); .
8. Königlich Preußische Heerordnung vom 22. November 1888 (im Buchhandel ver-
öffentlicht, Umarbeitung der Heerordnung vom 28. September 1875, vom Könige
erlassen und vom Kriegsminister kontrasignirt, jedoch auf Grund der Miltärkon-
ventionen und Art. 63 Abs. 5 der Reichsverfassung gültig für das ganze Reich mit
Ausnahme des eine eigene Heerordnung besitzenden Königreichs Bayern), mit den
Abänderungen und Ergänzungen vom 22. Juli 1889, 6. März und 22. Juni 1890,
20. Juli und 26. Oktober 1891 (Armeeverordnungsblatt S. 56, 76, 130, 206, 242).
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht
vertreten lassen. Ausgenommen von der Wehrpflicht sind nur die Mitglieder der regie-
renden Häuser und des Hohenzollernschen Fürstenhauses, sowie die Mitglieder der
mediatisirten, vormals reichsständischen und derjenigen Häuser, welchen die Befreiung
von der Wehrpflicht durch Verträge gesichert ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel
zusteht. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. und endigt mit dem vollendeten
45. Lebensjahre. Sie zerfällt in die Dienstpflicht und in die Landsturmpflicht. Erstere
beginnt mit dem vollendeten 20. Lebensjahr. Jeder waffenfähige Deutsche gehört
sieben Jahre dem stehenden Heere an, davon zwei (Kavalleric und reitende Feldartillerie
drei) Jahre bei den Fahnen, die übrigen Jahre der Reserve; alsdann fünf (Navallerie
und reitende Feldartillerie drei) Jahre der Landwehr ersten Aufgebots und nächstdem
bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem er das 39. Lebensjahr vollendet,
der Landwehr zweiten Aufgebots. Die dem zweiten Aufgebot angehörenden Wehr-
männer werden zu Kontrolversammlungen und Uebungen nicht herangezogen und be-
dürfen keiner Erlaubniß zur Auswanderung, müssen diese aber anzeigen. Zur Ergänzung
des Heeres bei der Mobilmachung und zur Bildung von Ersatztruppentheilen dient die
Ersatzreserve, deren Pflichtigkeit mit dem 1. Oktober desjenigen Jahres beginnt, in
welchem die Militärdienstpflicht beginnt, und 12 Jahre dauert, worauf die Ersatzreservisten
in die Landwehr zweiten Aufgebots übertreten. Während dieser 12 Jahre finden drei
Uebungen von bezw. 10, 6 und 4 Wochen statt. Der Landsturm, welcher im Kriegs-
falle an der Vertheidigung des Vaterlandes theilnehmen soll und in Fällen außer-
ordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heeres und der Marine herangezogen werden
kann, umfaßt alle nicht dem Heere oder der Marine angehörenden Wehrpflichtigen vom
vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre. Er zerfällt in zwei Aufgebote.
Zum ersten Aufgebot gehören die Landsturmpflichtigen bis zum 31. März desjenigen
Ralenderjahres, in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden. Der Landsturm zweiten
Aufgebots soll in der Regel in besonderen Abtheilungen formirt werden. Der Aufruf
des Landsturms erfolgt nach Jahresklassen und zwar durch Kaiserliche Verordnung, bei
unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfalle durch die kommandirenden Generale, die
Gouverneure und Kommandanten von Festungen. Solange kein Aufruf ergangen, sind
die Landsturmpflichtigen keiner militärischen Kontrole und Uebung unterworfen. Während
einer Mobilmachung entscheidet über die Dauer der Wehrpflicht lediglich das Bedürfniß.
Die Friedensstärke des Reichsheeres an Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten
ist durch das Gesetz vom 3. August 1893 für die Zeit vom 1. Oktober 1893 bis 31. März
1899 auf 479229 Mann als Jahresdurchschnittsstärke (ohne die Einjährig-Freiwilligen)
festgestellt. Nach der Eintheilung zerfällt das Heer in 538 Bataillone und 173 Halb-
bataillone Infanterie, 465 Eskadrons Kavallerie, 194 Batterien Feldartillerie, 37 Ba-
taillone Fußartillerie, 23 Pionierbataillone, 7 Bataillone Eisenbahntruppen und 21
Trainbataillone, zusammengefaßt in 20 Armeekorps mit 44 Divisionen.
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