Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

116 I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 36. 
Artikel 36. 
Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen 
und zur Ausführung der Gesetze nur in den vom Gesetze bestimmten 
Fällen und Formen und auf Regquisition der Civilbehörde verwendet 
werden. In letzterer Beziehung hat das Gesetz die Ausnahmen zu 
bestimmen. 
A. Art. 36 kann im Fall des Belagerungszustandes, des Krieges oder Aufruhrs außer 
Kraft gesetzt werden (Art. 111). 
B. Unter der bewaffneten Macht ist das Heer zu verstehen, nicht aber die Waffen tragenden 
Beamten (Gensdarmen, exekutive Polizeibeamte, Grenz= und Steueraufsichtsbeamte, 
Forst= und Jagdbeamte, Gesängnißaufftchtsbeamte Nach Art. 66 Abs. 2 der Ver- 
fassung für das Deutsche Reich steht den Bundesfürsten das Recht zu, zu polizeilichen 
Zwecken nicht bloß ihre eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen, in 
ihren Ländergebieten dislocirten Truppentheile des Reichsheeres zu requiriren. 
C. Das Gesetz über den Belagerungszustand vom 1. Juni 1851 (unten Art. 111 Anmerk. B. 5) 
sur, zwei Ausnahmen von dem in Art. 36 Satz 1 ausgesprochenen Grundsatze, 
nämli 
a) wenn für einen Ort oder Distrikt der Belagerungszustand erklärt und zugleich der 
rt. 36 zeitweise außer Kraft gesetzt, 
b) wenn für einen Ort oder Distrikt ohne Erklärung des Belagerungszustandes der 
Art. 36 von dem Staatsministerium zeitweise außer Kraft gesetzt ist. 
Liegt keiner dieser beiden Ausnahmefälle vor, so darf die bewaffnete Macht nicht 
anders einschreiten, als wenn sie dazu von der Civilbehörde aufgefordert wird, und auch 
dann nur in den Fällen und Formen des Gesetzes. Somit ist auch die Civilbehörde 
zur Requisition der bewaffneten Macht nur befugt, wenn einer der Fälle vorliegt, in 
welchen die Gesetze deren Verwendung gestatten. Nämlich: 
1. Nach § 48 Nr. 3 der Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, 
Polizei= und Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 (Ges.-Samml. 1817 S. 218) 
und Abschn. II. Litt. A. der Geschäftsanweisung für die Regierungen vom 31. De- 
zember 1825 (v. Kamptz Annalen Bd. 9 S. 821) dürfen die Provinzialverwaltungs- 
behörden sich bei Ausübung der ihnen zustehenden administrativen Exekution der 
Mitwirkung des Militärs bedienen, jedoch nur bei hartnäckigem Ungehorsam oder 
wirklicher Widersetzlichkeit, nach fruchtlos gebliebener Civilexekution und vorheriger 
Androhung; auch sollen sie vorher die Genehmigung der höheren Behörde nach- 
suchen oder derselben wenigstens gleichzeitig Anzeige machen, wenn bei der Sache 
Gefahr im Verzuge ist. Im letzteren Falle können die Befehlshaber einzelner 
Truppenabtheilungen direkt requirirt werden, wogegen da, wo keine Gefahr im 
Verzuge ist, die Requisition durch den Oberpräsidenten an das Generalkommando 
der Provinz zu richten ist. 
2. Nach § 150 Allg. Gerichtsordnung I. 24 dürfen die Gerichte die militärische Hilfe 
bei Exekutionsvollstreckungen in Anspruch nehmen, wenn zuvor die sonstigen Mittel, 
den cchterlichen Verfügungen Gehorsam zu verschaffen, fruchtlos angewandt sind; 
es soll aber kein Gericht solche Hilfe eigenmächtig nachzusuchen und vorzukehren be- 
rechtigt sein, sondern deshalb jedes Mal zuvor von den Gerichten erster Instanz 
bei den vorgesetzten Landesjustizkollegien, von diesen aber bei dem Justizminister 
angefragt und weitere Verordnung abgewartet werden. Der § 179 Anhangs be- 
stimmt hierzu, daß bei vorhandener Gefahr im Verzuge das Gericht zwar nach vor- 
heriger Androhung sofort die militärische Exekution verfügen kann, hiervon jedoch 
der vorgesetzten Behörde gleichzeitig Anzeige gemacht werden muß. Wenn zur 
Vonstrechung der Exekution gegen eine große Anzahl von Menschen oder wegen 
zu besorgender hartnäckiger Widersetzlichkeit ein beträchtliches Militärkommando 
erforderlich ist, oder wenn überhaupt ein bedenklicher Umstand eintritt, so soll bei 
der Regierung Erkundigung eingezogen werden, ob Ursachen vorhanden sind, welche 
die Anwendung militärischer Hilfe widerrathen, und wie etwa ohne dieselbe der 
Zweck am besten zu erreichen sei. — Diese Bestimmungen sind im Geltungsbereich 
der Allgemeinen Gerichtsordnung auch noch gegenwärtig anzuwenden für die Akte 
der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung. Für die 1866 mit der
	        
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