I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 43. 123
Titel III.
Vom Könige.
Artikel 43.
Die Person des Königs ist unverletzlich.
A. Das zur Zeit des absoluten Königthums entstandene Allgemeine Landrecht erklärt
in § 1 II. 13:
Alle Rechte und Pflichten des Staates gegen seine Bürger und Schutzver-
wandten vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.
Die Verfassungsurkunde, mit deren Emanation die Preußische Monarchie in die
Reihe der konstitutionellen Staaten eingetreten ist, enthält keine entsprechende Erklärung,
beruht aber gleichwohl vollständig auf dem monarchischen Prinzip. Somit gilt auch für
das konstitutionelle Preußische Königthum, daß die gesammte Staatsgewalt, dem Rechte
der Innehabung nach, in der Person des Monarchen vereinigt, keine Function der
Staatsgewalt von dem Monarchen losgelöst ist und in allen staatlichen Dingen Nichts
ohne und Nichts gegen den Willen des Monarchen geschehen kann. Aber wenngleich
der König das Haupt des Staates ist und in sich alle Rechte der Staatsgewalt vereinigt,
übt er sic doch nur aus unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen, ist
er bei der Ausübung der Staatsgewalt verfassungsmäßig gebunden. Für die nicht bloß
thatsächliche, sondern rechtliche Beschränkung des Monarchen in der Ausübung der in
seiner Machtfülle enthaltenen Befugnisse ist die Verfassungsurkunde maßgebend. — Ueber
die wechselseitigen Befugnisse der Krone und des Landtages giebt es drei verschiedene
Auffassungen. Während nämlich die Einen der Krone nur diejenigen Rechte zugestehen
wollen, welche die Verfassungsurkunde ihr ausdrücklich übertragen oder belassen hat,
weisen die Andern der Volksvertretung einen in gleicher Weise beschränkten Kreis von
Befugnissen zu, und sieht endlich eine dritte, mehr vermittelnde Auffassung, welcher ins-
besondere v. Rönne und v. Schulze angehören, in der Verfassungsurkunde überhaupt
nicht eine erschöpfende Zusammenstellung der beiderseitigen Rechte, sondern verlangt
Mangels anderweitiger besonderer Bestimmungen ein verfassungsmäßiges Zusammen-
wirken von Krone und Landtag. Es ist aber eine allgemeine Beantwortung der Frage
nicht möglich, vielmehr in jedem streitigen Einzelfalle eine besondere Untersuchung anzu-
stellen. Wenn hierbei keine der angewendeten Methoden, auch nicht die historische, zu
einem sicheren Resultate führt, so bleibt allerdings nur die Antwort, daß der König das
Oberhaupt des Staates ist, alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt und in der
Ausübung der in seiner Machtfülle enthaltenen Befugnisse nur soweit beschränkt ist, als
die Verfassungsurkunde — oder die späteren Sondergesetze — dies ausdrücklich festsetzen.
Wird gegen diese Antwort, in allerdings wenig juristischer Weise, auf einen angeblichen
Geist der Verfassung provozirt, so läßt sich nur soviel einräumen, daß die Preußische
Verfassungsurkunde von Vornherein ein recht unvollkommenes und unvollständiges Gesetz
war; daß sie, obgleich bereits zum Theil Ruine, zum Theil auch heute noch Rohbau ist;
endlich daß zu ihren bedauerlichen Mängeln auch der Mangel einer genauen Grenz-
scheidung zwischen Krone und Landtag gezählt werden muß.
B. Neben den unmittelbar aus seinem staatlichen Berufe folgenden eigentlichen Regentenrechten
stehen dem Monarchen die Königlichen Ehrenrechte und die mit der Krone verbundenen
pekuniären Rechte zu.
Ueber die pekuniären Rechte siehe unten Art. 59.
Die Ehrenrechte sind dreifach gegliedert. Erstens nämlich kommen der Person
des Monarchen ganz ausgezeichnete, ihr ausschließlich gebührende Ehrenvorzüge zu. Zweitens
wird seiner persönlichen Umgebung ein besonderer Glanz beigelegt. Drittens werden
all Aeutchen Ehren und Würden als vom manarchischen Mittelpunkte ausfließend
gedacht.
1. Dem Könige kommen zu der Majestätstitel, die Königliche Titulatur und das
Königliche Wappen (unten Nr. VI 5.), die Reichsinsignien: Reichssiegel, Reichsapfel,
Reichsschwerdt, Scepter und Krone (Königl. Preuß. Staatsanzeiger 1861 Nr. 215
S. 1897), die höchsten militärischen Ehren (Reichsverfassung Art. 66), Fürbitte im
Kirchengebet, Landestrauer. Die Behauptung, daß es ein ausschließliches Ehren-
recht des Königs sei, von sich in der Mehrheit, mit dem Zusatze „von Gottes