Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 56. 57. 58. 161 
Für die Stellvertretung sind folgende Sätze maßgebend: 
1. Die Ernennung des Stellvertreters erfolgt durch den König, welchem der Regent 
auch in dieser Beziehung gleich steht. Als Regierungsakt bedarf sie der ministeriellen 
Kontrasignatur. Sie ist dem Landtage, den Staatsbehörden (Ministern) und den 
Unterthanen offiziell bekannt zu machen, also jedenfalls in der Gesetzgebung zu 
publiziren. 
2. Der Monarch ist in der Wahl des Stellvertreters, abgesehen davon, daß dieser 
handlungsfähig sein muß und nicht weiblichen Geschlechts sein darf, nicht beschränkt, 
braucht also die Stellvertretung nicht nothwendig dem nächsten Agnaten zu über- 
tragen, sondern darf den Auftrag auch einem anderen Prinzen des Königlichen 
Hauses oder auch einer anderen Person, desgleichen dem Staatsministerium als 
Kollegium ertheilen. 
3. Der Auftrag ist jeder Zeit widerruflich. Außerdem endigt das Mandat von selbst 
durch einen Thronwechsel oder die Einsetzung einer Regentschaft. Die Zurücknahme des 
Auftrags ist ebenso wie die Ertheilung desselben öffentlich bekannt zu machen. 
4. Eine Verpflichtung zur Annahme des Auftrages existirt nicht. Derselbe kann jeder 
Zeit zurückgegeben werden. Durch eine Zurückgebung inopportuno tempore macht 
sich jedoch der Stellvertreter verantwortlich. · 
. Der Umfang der Befugnisse des Vertreters richtet sich nach der ihm von dem König 
ertheilten Vollmacht, geht also je nachdem auf einzelne Geschäfte oder Geschäfts- 
komplexe oder auf eine Summe von solchen oder auf die volle Stellvertretung des 
Königs in sämmtlichen Regierungsgeschäften, eventuell auch in der Handhabung der 
hausherrlichen Gewalt in den Angelegenheiten des Königlichen Hauses. 
6. Der Stellvertreter genießt nicht die persönliche Unverletzlichkeit, den strafrechtlichen 
Schutz und die Ehrenrechte des Königs. Ebensowenig kommen ihm die pekuniären 
Rechte des Königs zu. 
7. Er regiert nicht auf Grund Gesetzes und aus eigenem Rechte, sondern auf Grund 
eines #Anstrages und gemäß der ihm gewordenen Vollmacht. Die Gesetze und Ver- 
ordnungen erläßt nominell nicht er, sondern der König selbst, und nur die Voll- 
ziehung geschieht durch ihn „im Allerhöchsten Auftrage Seiner Majestät des Königs.“ 
Er ist gebunden nicht bloß an die Instruktionen, sondern sogar an die Intentionen 
seines Mandanten, darf nur solche Entschließungen fassen, für welche der Auftrag ihn 
legitimirt und ist für die pünktliche Ausführung des Aufstrages juristisch verant- 
wortlich, sowohl während als nach Beendigung der Stellvertretung. 
8. Gleichwohl sind seine Akte wahre Regierungsakte, bedürfen insbesondere der mini- 
steriellen Gegenzeichnung, so daß neben seine eigene Verantwortlichkeit noch die der 
Minister tritt. 
In der Gesetzsammlung sind sieben, eine Stellvertretung anordnende Königliche 
Erlasse publizirt, nämlich vom 23. Oktober 1857, 6. Januar, 9. April und 25. Juni 1858, 
4. Juni 1878, 17. November 1887 und 21. März 1888 (Ges.-Samml. 1857 S. 807; 
1858 S. 1, 101, 317; 1878 S. 253; 1888 S. 15 und 20). Die ersten fünf beziehen 
sich auf die Leitung sämmtlicher Regierungsgeschäfte. Der sechste und siebente betreffen eine 
partielle und mehr gelegentliche Heranziehung zu den Geschäften, um dem Monarchen 
eine Erleichterung zu verschaffen oder den Vertreter mit den Staatsgeschäften durch un- 
mittelbare Betheiligung an denselben vertraut zu machen. Betreffend die Stellvertretung 
vom Jahre 1878 sind folgende Königliche Erlasse ergangen, welche als Beleg der in 
dieser Materie üblichen Praxis nachstehend folgen: 
a) Allerhöchster Erlaß vom 4. Juni 1878, betreffend die Beauftragung 
Sr. Kaiserl. und Königl. Hoheit des Kronprinzen mit der Stell- 
vertretung Sr. Majestät des Kaisers und Königs in den Regierungs- 
geschäften. (Ges.-Samml. S. 253.) 
Da Ich in Folge Meiner Verwundung zur Vollziehung der nöthigen Unter- 
schriften augenblicklich nicht im Stande bin, Ich auch nach Vorschrift der Aerzte, 
um die Heilung der Wunden nicht aufzuhalten, Mich aller Geschäfte enthalten soll, 
so will Ich Eurer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit und Liebden für die Dauer 
Meiner Behinderung Meine Vertretung in der oberen Leitung der Regierungsgeschäfte 
übertragen. Eure Kaiserliche und Königliche Hoheit und Liebden ersuche Ich, hiernach 
das Erforderliche zu veranlassen. 
Berlin, den 4. Juni 1878. 
Auf Allerhöchsten Befehl dazu berufen bezeugen wir, die unterzeichneten Chefs 
des Civil- und Militärkabinets, daß Seine Majestät der Kaiser und König in 
Schwary, Preußische Berfassungsurkunde. 11 
□.#
	        
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