Einleitung.
SI.
Die Entstehung der Verfassungsurkunde.
Wie überhaupt in den Deutschen Ländern bestanden auch in Preußen
ursprünglich landständische Verfassungen. Bereits Friedrich Wilhelm, der
große Kurfürst, welcher die zahlreichen, mehr oder minder zersplitterten Ge-
biete zu einem Brandenburgisch-Preußischen Staat vereinigte, begann zum
Zweck der Durchführung der Staatsidee durch seine energisch-selbstherrliche
Verwaltung die politische Bedeutsamkeit der Stände zu brechen. Durch Frie-
drich Wilhelm I. wurde sie ihrem eigentlichen Wesen nach vernichtet. Dieser
Monarch berief die Stände zwar noch zu den Huldigungslandtagen und gab
die Versicherung ab, daß er ihre Rechte, wie im Allgemeinen die ganze Lan-
desverfassung, aufrecht erhalten und keinen seiner Unterthanen in dem, was
er billig und füglich als Recht ansehen könnte, beeinträchtigen würde, verwei-
gerte aber die ausdrückliche Bestätigung der ständischen Rechte und regierte
als unumschränkter Gewalthaber. Auch Friedrich der Große hielt zwar in
Königsberg den üblichen Huldigungslandtag ab und ertheilte eine ähnliche
allgemeine Versicherung, ignorirte aber die alten ständischen Gerechtsame voll-
ständig und unterdrückte die in Schlesien vorgefundenen sogleich in rücksichts-
loser Weise. Nur in einzelnen Landestheilen bestanden schließlich noch Stände
als örtliche Körperschaften, denen eine Mitwirkung bei der Provinzialverwal-
tung anvertraut war. Die gesammte Regierungsgewalt und Gesetzgebung
war ausschließlich bei dem Könige. Das am 1. Juli 1794 in Geltung ge-
tretene Allgemeine Landrecht bestimmte in seinem, „von den Rechten und
Pflichten des Staats überhaupt“ handelnden dreizehnten Titel des zweiten
Buches (88 1 bis 9, 12 bis 15) folgendes:
l 1.
Alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine Bürger und Schutz-
verwandten vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.
§2.
Die vorzüglichste Pflicht des Oberhaupts im Staate ist, sowohl die
äußere als innere Ruhe und Sicherheit zu erhalten, und einen Jeden
bei dem Seinigen gegen Gewalt und Störungen zu schützen.
83.
Ihm kommt es zu, für Anstalten zu sorgen, wodurch den Einwoh—
Schwarz, Preußische Verfassungsurkunde. 1