Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

222 
A. 
B. 
I. Verfassungsurkunde v. 31. Januar 1850. Art. 73. 
Art. 73 ist abgeändert durch: 
Gesetz, betreffend die Abänderung des Artikels 73 der Ver- 
fassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Vom 27. Mai 1888. (Ges.= 
Samml. S. 137.) 
Wir Friedrich, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. ver- 
ordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Umfang der 
Monarchie, was folgt: 
1. 
An Stelle des Artikels 73 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 
tritt folgende Bestimmung: 
Artikel 73. 
Die Legislaturperiode des Hauses der Abgeordneten 
dauert fünf Jahre. 
Dieses Gesetz tritt mit Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode des 
Hauses der Abgeordneten in Kraft. 
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beige- 
drucktem Königlichen Insiegel. 
Gegeben Charlottenburg, den 27. Mai 1888. 
(L. 8S.) Friedrich. 
Fürst v. Bismarck. v. Puttkamer. v. Maybach. Frhr. v. Lucius. 
v. Friedberg. v. Boetticher. v. Goßler. v. Scholz. Gr. v. Bismarck. 
Es ist natürlich nicht möglich, den Landtag auf denselben Tag zu berufen, an welchem 
die Wahlmänner die Wahlen zum Abgeordnetenhause vornehmen, bielner werden trotz 
größter Beschleunigung immer mehrere Tage bis zum Tage der Einberufung verlaufen. 
fragt sich daher, von welchem Tage an die jetzt fünfjährige Legislaturperiode des 
Hauses der Abgeordneten zu berechnen ist, ob von dem der Wahl oder von dem Tage 
an, an welchem das neugewählte Abgeordnetenhaus zusammentritt. 
Die Staatsregierung ist der zweiten Ansicht und hat dieselbe bereits mehrfach, ohne 
im Abgeordnetenhause Widerspruch zu finden, durchgeführt. So ist in dem — jetzt 
aufgehobenen — Art. 66 der Verfassungsurkunde der Zeitpunkt, in welchem die Bildung 
des Herrenhauses in der Art. 65 bestimmten Weise eintreten sollte, auf den 7. Auguft 
1852 festgesetzt und zwar deshalb, weil die am 27. Juli 1849 erwählte Erste Kammer 
auf den 7. August 1849 zusammenberufen worden und man der Ansicht war, daß des- 
halb der Anfangstermin der beiden am 7. August zu einer neuen Legislaturperiode zu- 
sammengetretenen Kammern von diesem Tage an und nicht von dem der Wahl anhebe. 
Ferner am 8. October 1855 fanden die Wahlen für das Abgeordnetenhaus statt, am 
12. November 1855 trat der Landtag zu der neuen Legislaturperiode zusammen, auf 
den 20. October 1858 wurde er außerordentlicher Weise berufen, um die Nothwendigkeit 
der Regentschaft anzuerkennen, also nachdem nach der ersten Ansicht die Legislaturperiode 
schon verstrichen war. Endlich in einem von dem Staatsministerium unterm 4. October 
1873 an den König erstatteten Bericht über die — durch die Verordnung vom 5. Oc- 
tober 1873, Ges.-Samml. S. 457, angeordnete — Auflösung des Abgeordnetenhauses 
heißt es: „Das gegenwärtige Haus der Abgeordneten ist am 14. Dezember 1870 zum 
ersten Male zusammengetreten. Nach Art. 73 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 
1850 erlischt deshalb das Mandat desselben mit dem 14. Dezember 1873" (vergl. den 
Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger 1873 Nr. 239). Derselben Ansicht 
ist auch Arndt (Anmerk. 2 zu Art. 73, S. 134) „weil das Abgeordnetenhaus erst 
existent wird, wenn es infolge Königlicher Einberufung zusammentritt“, und ebenso 
v. Stengel S. 81. Dagegen bekennen sich v. Rönne (Bd. 1 § 58 S. 234 Anmerk. 1), 
v. Schulze (Bd. 1 §8 160 S. 590) und G. Meyer (§ 102 S. 261) zur ersten Ansicht. 
Für diese Ansicht berufen sie sich darauf, daß die Verfassungsurkunde nur einen Zeit- 
raum kenne, für welchen die Abgeordneten gewählt werden, nämlich für die Dauer 
der früher drei-, jetzt fünfjährigen Legislaturperiode, während sie nirgends nach Land- 
tagen rechne. Mit dem erfolgten Wahlakte, also mit dem Wahltage, beginne das 
Mandat der Abgeordneten. Diese auf den Wahlen beruhende Eigenschaft der Abge- 
ordneten dauere verfassungsmäßig für den im Art. 73 festgesetzten Zeitraum der Legis- 
laturperiode und dürfe nicht darüber hinaus erstreckt werden. Nur nach dieser An- 
sicht habe die Daner der Wahlperiode einen festen Anfang und Abschluß, während es 
nach der entgegengesetzten Auffassung von der Staatsregierung abhänge, durch Hinaus-
	        
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