Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

236 I. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 80. 
ist. Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmen- 
mehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen 
etwa zu bestimmenden Ausnahmen. 
A. Gesetz, betreffend die Abänderung der Verfassungsurkunde vom 31. Ja- 
nuar 1850, in Ansehung der Benennung der Kammern und der Beschluß- 
fähigkeit der Ersten Kammer. Vom 30. Mai 1855. (Ges.-Samml. S. 316.) 
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen 2e., 
verordnen, unter Zustimmung der Kammern, was folgt: 
1. 
(Art. 62 Anm. A., oben S. 194.) 
82. 
Das Herrenhaus kann keinen Beschluß fassen, wenn nicht 
mindestens sechszig der nach Maßgabe der Verordnung vom 
12. Oktober 1854 (Gesetz-Samml. S. 541—544) zu Sitz 
und Stimme berufenen Mitglieder anwesend sind. 
Der Artikel 80 der Verfassungsurkunde ist aufgehoben, insoweit er diesem 
Gesetze zuwiderläuft. 
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Königlichen Insiegel. 
Gegeben Sanssouci, den 30. Mai 1855. 
(L. S.) Friedrich Wilhelm. 
v. Manteuffel. v. d. Heydt. Simons. v. Raumer. v. Westphalen. 
v. Bodelschwingh. Graf v. Waldersee. 
Für den Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten: v. Manteuffel. 
B. Nach dem Gesetze vom 30. Mai 1855 gilt Satz 1 des Art. 80 nur noch für das Haus 
der Abgeordneten. Dasselbe besteht gegenwärtig — siehe Artikel 69 Anm. A., oben 
S. 217 — aus 433 Mitgliedern, so daß zur Beschlußfähigkeit des Hauses die Anwesen- 
heit von mindestens 217 Abgeordneten erforderlich ist. Das Herrenhaus besteht gegen- 
wärtig, die z. Z. ruhenden Stimmen mitgerechnet, aus 318 Mitgliedern und bedarf zu 
seiner Beschlußfähigkeit nur der Anwesenheit von 60. Nur zur Fassung von Beschlüssen, 
nicht auch zu Berathungen, ist die Anwesenheit der 60 bezw. 217 Mitglieder erforderlich. 
Zur Giltigkeit eines Beschlusses ist die Annahme desselben von der absoluten Mehrheit 
der Anwesenden, also mindestens von 31 bezw. 109 Mitgliedern erforderlich. Bei 
Stimmengleichheit ist also — wie auch die Geschäftsordnungen in den 88 57 bezw. 55 
aussprechen — der zur Abstimmung gestellte Antrag abgelehnt. Von dem Erforderniß 
der absoluten Stimmenmehrheit läßt die Verfassungsurkunde eine Ausnahme zu für die 
Wahlen. Hiervon ist Gebrauch gemacht für die Wahl der Schriftführer. Die Geschäfts- 
ordnungen für das Herrenhaus § 4 und für das Haus der Abgeordneten 8 8 bestimmen, 
daß die Wahl der Schriftführer nach relativer Stimmenmehrheit erfolgen und bei 
Stimmengleichheit das durch die Hand des Präsidenten zu ziehende Loos entscheiden soll. 
Ein Beschluß, welcher ohne die Anwesenheit der gesetzlich gesorderten Anzahl der 
Mitglieder gefaßt worden, ist unzweifelhaft nichtig. Die Verfassungsurkunde enthält 
keine Vorschrift über die Konstatirung der Nichtigkeit. Die Geschäftsordnung für das 
Herrenhaus bestimmt in § 34, daß der Präsident oder zehn Mitglieder die Beschluß- 
fähigkeit bezweifeln können, und daß dann eine Zählung erfolgen muß. Hiervon abge- 
sehen wird nach den Geschäftsordnungen in beiden Häusern die Beschlußfähigkeit oder Be- 
schlußunfähigkeit lediglich durch die immerhin nur ausnahmsweise stattfindenden nament- 
lichen Abstimmungen und Abstimmungen mittels Zählen konstatirt, und somit in zahl- 
reichen Fällen nichtige Beschlüsse gefaßt. Beide Häuser sind sich dieser Thatsache natür- 
lich sehr wohl bewußt, setzen sich aber über dieselbe in der Erwägung hinweg, daß, so- 
bald sie einen Beschluß gefaßt haben, die Behauptung, das Haus sei nicht beschlußfähig 
gewesen, unstatthaft und nicht zu berücksichtigen sei. 
Wenn ein Mitglied des Herrenhauses sich beharrlich den Sitzungen des Hauses 
entzieht, so kann es wegen dieses der Würde des Hauses nicht entsprechenden Verhaltens 
nach § 9 der Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1851 
(unten sub Nr. IV. 1) durch vom König bestätigten Beschluß des Rechtes der Mitglied- 
 
	        
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