Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 86. 249 
Die Reisekosten und Diäten werden auf Grund einer jedem Abgeordneten 
zugesertigten Anweisung der Quästoren von der Bureaukasse ausgezahlt. Ein Ver- 
zicht auf sie ist nicht statthaft. Natürlich ist es aber Jedem unbenommen, den Be- 
trag unerhoben zu lassen. 
B. Den Mitgliedern des Herrenhauses werden weder Reisekosten noch Diäten gezahlt, 
dagegen ist ihnen das Recht zu freier Eisenbahnfahrt zwischen der Station ihres 
Wohnortes und Berlin gewährt. Dieses Recht beginnt acht Tage vor Eröffnung 
des Hauses und erlischt acht Tage nach Schluß desselben. 
Titel VI. 
Von der richterlichen Gewalt. 
Artikel 86. 
Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch un- 
abhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene 
Gerichte ausgeübt. 
Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und 
vollstreckt. 
A. Auch die richterliche Gewalt steht dem Könige zu, wird aber nicht von ihm selbst, sondern 
in seinem Namen und kraft seines — unwiderruflichen — Auftrages von den Gerichten 
ausgeübt. Die eigentlichen Urtheile, d. h. die Definitiventscheidungen in Civil- und 
Strafsachen, tragen an der Spitze die Worte: „Im Namen des Königs.“ 
Die Gerichte sind bei Ausübung der richterlichen Gewalt unabhängig, keiner anderen 
Autorität als der des Gesetzes unterworfen, das Wort Gesetz im weiteren Sinne ge- 
nommen, also einbegriffen die gesetzmäßig erlassenen Verordnungen. Niemand, auch der 
König nicht, darf einem Gerichte darüber Vorschriften ertheilen, wie es einen bestimmten 
Fall zu behandeln oder zu entscheiden habe, vielmehr folgen die Beschwerden über Ent- 
scheidungen und Verfügungen der Gerichte lediglich dem gesetzlich geordneten Instanzen- 
zuge. Jeder Eingriff in die richterliche Thätigkeit seitens des Königs oder einer nicht 
im Instanzenzuge nächst vorgesetzten Behörde ist verfassungswidrig, der Richter darf 
den in einem solchen Eingriff enthaltenen Befehl nicht befolgen, widrigenfalls er sowohl 
civilrechtlich auf Ersatz des verursachten Schadens, als auch strafrechtlich nach Maßgabe 
des Disziplinar= oder Strafgesetzes (Strafgesetzbuch § 336) verantwortlich ist. Die 
Entscheidungen der Gerichtshöfe bedürfen zu ihrer Gültigkeit keiner Bestätigung seitens 
des Königs oder irgend einer anderen richterlichen oder nicht richterlichen Lehörde. 
Dies gilt auch von den Todesurtheilen. Weil aber bei dieser die einmal erfolgte Voll- 
streckung nicht rückgängig gemacht werden kann, ist ihre Vollstreckung erst zulässig, 
wenn die Entschließung des Königs ergangen ist, von dem Begnadigungsrecht 
keinen Gebrauch machen zu wollen. Diese Bestimmung der Reichsstrafprozeßord- 
nung (8§ 485) ist geltendes Recht für die ganze Monarchie erst seit dem 1. Oktober 1879. 
Vorher bestand sic nur in den durch die Ereignisse des Jahres 1866 hinzugetretenen 
Landestheilen mit Ausnahme des vormaligen Oberamtsbezirks Meisenheim und der 
Enklave Kaulsdorf auf Grund des § 432 der in jene Landestheile durch die Verord- 
nung vom 25. Juni 1867 (Ges.-Samml. S. 921) eingeführten Strafprozeßordnung, 
und in der übrigen Monarchie wurden, was offenbar eine verfassungswidrige Reminiszenz 
an die Zeit der absoluten Königsherrschaft war, die Todesurtheile erst nach erfolgter 
Königlicher Bestätigung vollstreckt. 
Das Verbot der sog. Kabinetsjustiz bezieht sich auf die Rechtsprechung im weitesten 
Umfange, also nicht blos auf das Gebiet der streitigen, sondern auch auf das der frei- 
willigen Gerichtsbarkeit. Auf dem Gebiete der Justizverwaltung, welche die sämmtlichen 
nicht zur Ausübung der Rechtspflege gehörenden Geschäfte der Justizbehörden umfaßt, 
sind auch die Richter zum Gehorsam gegen die Anordnungen der Vorgesetzten verpflichtet. 
Die näheren Bestimmungen darüber finden sich im Zwölften Titel, Justizverwaltung,
	        
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