Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Versassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 87. 
ständig für die Beschlüsse in dem Verfahren auf unfreiwillige Versetzung in den Ruhe- 
stand (bei dauernder Unfähigkeit zur Erfüllung der Amtspflichten wegen körperlicher 
Gebrechen oder wegen Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte), der große Dis- 
iplinarsenat auch für den Beschluß, daß ein Fall der unfreiwilligen Versetzung vorliege 
wenn dieselbe durch das Interesse der Rechtspflege dringend geboten ist, oder wenn 
zwischen Mitgliedern desselben Gerichts eine Schwägerschaft bis zum dritten Grade ein- 
schließlich entsteht). Die Verhängung disziplinarischer Maßregeln außerhalb des eigent- 
lichen Disziplinarverfahrens ist auf die Befugniß des Vorgesetzten (Landgerichtspräsidenten, 
Oberlandesgerichtspräsidenten) beschränkt, einen Richter, wenn ihm ein geringes Dienst- 
vergehen zur Last fällt, nach einer vorher von ihm erforderten Erklärung auf die 
Pflichten aufmerksam zu machen, welche ihm sein Amt auferlegt, gegen welche Mahnung 
dem von ihr betroffenen Richter elektiv die Beschwerde oder der Antrag auf Einleitung 
einer förmlichen Disziplinaruntersuchung zusteht. Ferner zieht jedes Urtheil des gewöhn- 
lichen Strafrichters auf Zuchthausstrafe, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte oder 
auf Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter den Verlust des 
Amtes von selbst nach sich, ohne daß darauf besonders erkannt wird. Endlich tritt die 
Suspension eines Richters vom Amte kraft des Gesetzes ein, wenn in dem gewöhnlichen 
Strafverfahren seine Verhaftung beschlossen, oder gegen ihn ein noch nicht rechtskräftig 
ewordenes Urtheil erlassen ist, welches auf den Verlust des Amtes lautet oder diesen 
raft des Gesetzes nach sich zieht, und ebenso, wenn im Disziplinarverfahren ein noch 
nicht rechtskräftiges Urtheil auf Dienstentlassung ergangen ist. 
Werden durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte oder ihrer Bezirke 
Versetzungen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand nöthig, so muß der Richter 
sich dieselbe gefallen lassen. Die näheren Bestimmungen hat das Organisationsgesetz 
(Art. 89) zu treffen. Diese unfreiwillige Versetzung ist nicht lediglich aus dem Grunde 
zulässig, weil die Einziehung von Richterstellen nothwendig erscheint. 
Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 bestimmt in 
86. 
Die Ernennung der Richter erfolgt auf Lebenszeit. 
§ 7. 
Die Richter beziehen in ihrer richterlichen Eigenschaft ein festes Gehalt mit 
Ausschluß von Gebühren. 88 
Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und 
nur aus den Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, dauernd 
oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in Ruhestand 
versetzt werden. 
Die vorläufige Amtsenthebung, welche kraft Gesetzes eintritt, wird hierdurch 
nicht berührt. Bei einer Veränderung in der Organisation der Gerichte oder ihrer 
Bezirke können unfreiwillige Versetzungen an ein anderes Gericht oder Entfernungen 
vom Amte unter Belassung des vollen Gehalts durch die Landesjustizverwaltung 
verfügt werden. 89 
Wegen vermögensrechtlicher Ansprüche der Richter aus ihrem Dienstverhält- 
nisse, insbesondere auf Gehalt, Wartegeld oder Ruhegehalt darf der Rechtsweg nicht 
ausgeschlossen werden. 
Diese Bestimmungen enthalten die Garantien, welche reichsgesetzlich für nothwendig 
crachtet wurden, um den Richtern eine solche Stellung und Sicherung des Lebensunter- 
haltes einzuräumen, daß von einer Abhängigkeit ihrer Richterthätigkeit von Verwaltungs- 
einflüssen nicht wohl die Rede sein, und gegen einen Richter, der dennoch solchen Ein- 
flüssen gegen seine Rechtsüberzeugung in Handhabung seines Richteramtes nachgiebt, der 
Vorwurf der Pflichtverletzung mit Grund erhoben werden kann. Durch diese reichsgesetz- 
lichen Vorschriften enthält Art. 87 der Verfassungsurkunde eine reichsrechtliche Garantie. 
In Anschluß daran verordnet das Ausführungsgesetz vom 24. April 1878 in 
§ 11. 
Andere Vergütungen, als die auf Gesetz beruhenden Gehälter und Entschä- 
digungen oder auf Stiftungen beruhenden Bezüge, dürfen den Richtern für richter- 
liche Geschäfte nicht gewährt werden. 
Unterstützungen in Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses werden von 
dieser Vorschrift nicht betroffen.
	        
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