I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 91. 263
walt bestellten Disziplinarbehörden, ferner für Angelegenheiten, welche dem Gebiete der
Verwaltung angehören, Verwaltungsbehörden mit gerichtlicher Organisation.
a) Disziplinarbehörden:
1. Für richterliche Beamte (siehe Art. 87 Anmerk. A., oben S. 250).
2. Für nicht richterliche Beamte (siehe unten Art. 98).
3. Für Rechtsanwälte.
Das ehrengerichtliche Verfahren gegen einen Rechtsanwalt, welcher die ihm obliegenden
Pflichten verletzt hat, beruht auf §§ 62 bis 97 der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli
1878 (Reichs-Gesetzbl. S. 177). Das Ehrengericht erster Instanz bildet der Vorstand
der Anwaltskammer des Oberlandesgerichtsbezirks, die zweite und letzte Instanz bei
Beschwerde das Oberlandesgericht, bei Berufung der am Reichsgericht bestehende Ehren-
gerichtshof. Mit der Führung der Voruntersuchung wird ein Richter durch den Prä-
sidenten des Oberlandesgerichts beauftragt. Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft
werden von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in der Berufungsinstanz
von der Staatsanwaltschaft bei dem Reichsgericht wahrgenommen. Auf das Ver-
fahren finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung.
4. Behörden zur Handhabung der akademischen Disziplin.
Die frühere Universitätsgerichtsbarkeit ist als streitige durch das Gerichtsverfassungsgesetz
stillschweigend und als freiwillige durch § 13 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum
Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze ausdrücklich aufgehoben, somit gegenwärtig auf eine
Handhabung der akademischen Disziplin beschränkt. Diese Handhabung ist näher ge-
regelt durch das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Studirenden und die Dis-
ziplin auf den Landesunibersitäten, der Akademie zu Münster und dem Lyceum
Hosianum in Braunsberg, vom 29. Mai 1879 (Ges.-Samml. S. ** Als Be-
hörden fungiren der Rektor (Prorektor), der Universitätsrichter (Syndikus) und der
Senat. Gegen Urtheile aus Nichtanrechnung des laufenden Halbiahres, auf Entfernung
von der Universität oder auf Ausschluß von dem Universitätsstudium ist Berufung an
den Kultusminister zulässig.
Die von dem Universitätsrichter (Syndikus) ausgenommenen Verhandlungen über
die Anerkenntnisse gestundeter Honorare haben die Glanbwürdigkeit öffentlicher Urkunden.
b) Verwaltungsbehörden mit gerichtlicher Organisation.
1. Die Verwaltungsgerichte.
Die Verfassung derselben beruht auf dem
Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Ver-
waltungsstreitverfahren, vom 3. Juli 1875/ 2. August 1880 8§8 17 bis
30 a (Ges.-Samml. 1880 S. 328);
Gesetz zur Abänderung des § 29 des Gesetzes, betreffend die Verfassung
der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren, vom
3. Juli 1875/2. August 1880 (Ges.-Samml. 1880 S. 328), vom 27. Mai
1888 (Ges.-Samml. S. 226);
Gesetz zur Abänderung der §§ 26 bis 30 des Gesetzes, betreffend die
Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren,
vom 3 Juli 1875/2. August 1880, vom 26. März 1893 (Ges.-Samml.
S. 60);
Gesetz über die Allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1893 § 7
(Ges.-Samml. S. 195).
Sie entscheiden, unbeschadet aller privatrechtlichen Verhältnisse, über Ansprüche
und Verbindlichkeiten aus dem öffentlichen Recht. Begriff und Umfang der streitigen
Verwaltungssachen ist durch verschiedene Gesetze bestimmt, insbesondere durch das Gesetz,
betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichtsbe-
hörden, vom 1. August 1883 (Ges.-Samml. S. 237).
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ausgeübt:
7.) Für jeden Kreis durch den Kreis= (Stadt-) Ausschuß;
#) für jeden Regierungsbezirk — und für Berlin — durch den Bezirksausschuß,
welcher theils in erster Instanz, theils auf die Berufungen und Beschwerden
gegen die Entscheidungen der Kreis= (Stadt--) Ausschüsse entscheidet;
7!) für den gesammten Umfang der Monarchie durch das Oberverwaltungsgericht.
Dasselbe entscheidet in einzelnen Fällen in erster Instanz, sonst auf die Be-
rufung gegen die von den Bezirksausschüssen in erster Instanz, sowie auf das
Rechtsmittel der Revision gegen die von den Bezirksausschüssen in zweiter
Instanz erlassenen Endurtheile, ferner auf die Beschwerden, welche die Leitung