Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 96. 
4. Der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte ist nur zuständig bei 
einem Kompetenzkonflikt zwischen den Verwaltungsbehörden und den Gerichten. Zu 
den Verwaltungsbehörden gehören hierbei nach § 22 der Verordnung trotz ihrer ge- 
richtlichen Organisation auch die Auseinandersetzungsbehörden und nach 8 5 Abs. 2 der 
Verordnung bezw. §8§ 113 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung 
vom 30. Juli 1883 (Ges.-Samml. S. 195) auch die Verwaltungsgerichte. Der Aus- 
druck „Gerichte“ umfaßt sowohl die ordentlichen, wie die besonderen Gerichte. Ueber 
Kompetenzstreitigkeiten zwischen den ordentlichen Gerichten entscheidet das im Instanzen- 
zuge zunächst höhere Gericht (Civilprozeßordnung § 36) und in den durch das Aus- 
führungsgesetz zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze den ordentlichen Gerichten über- 
tragenen Angelegenheiten das Oberlandesgericht bezw. der Justizminister (8 20 des 
Gesetzes), wogegen es bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen den ordentlichen und den 
besonderen Gerichten bei dem Grundsatz bewendet, daß jedes Gericht seine Zuständigkeit 
selbst zu prüfen hat. Ueber die zischen mehreren Verwaltungsbehörden stattfindenden 
Streitigkeiten hat die vorgesetzte Aufsichtsbehörde zu entscheiden und über die Streitig- 
keiten zwischen einer Verwaltungsbehörde und einem Verwaltungsgerichte das Oberver- 
waltungsgericht (8 113 des Gesetzes vom 30. Juli 1883). 
5. Der — positive — Kompetenzkonflikt kann nur erhoben werden von einer 
Verwaltungsbehörde, nicht von einem Gerichte, weder von einem ordentlichen noch 
einem besonderen, auch nicht von einem Verwaltungsgericht oder einem Disziplinarge- 
richtshofe, wohl aber von einer Auseinandersetzungsbehörde. Und zwar nur von der- 
jenigen Verwaltungsbehörde, deren Geschäftskreis durch den anhängigen Rechtsstreit be- 
rührt wird. Endlich nur von einer Centralbehörde, d. h. einem Minister oder einer 
Provinzialverwaltungsbehörde: Oberpräsident, Regierungspräsident, Bezirksregierung, 
Polizeipräsident, Oberbergamt, Provinzialsteuerdirektion, Intendantur eines Armeekorps, 
Provinzialschulkollegium, Konsistorium, Generalkommission, Oberlandesgericht (soweit 
demselben Geschäfte der Justizverwaltung übertragen sind, z. B. die Lehnssachen), Ober- 
landesgerichtspräsident, Oberstaatsanwalt (z. B. als oberste Behörde für die gerichtlichen 
Gefängnisse der Provinz). Untere Verwaltungsbehörden sind darauf beschränkt, ihrer 
vorgesetzten Dienstbehörde davon Anzeige zu machen, wenn sie in einen zu ihrer Keunt- 
niß kommenden Rechtssache die Erhebung des Kompetenzkonfliktes für erforderlich er- 
achten; die frühere Gesetzgebung — § 3 des Gesetzes vom 8. April 1847 — machte 
ihnen dies zur Pflicht. Die Behörde muß eine Preußische sein, denn die Landesgesetz- 
gebung kann überhaupt keine Bestimmungen treffen für Kompetenzkonflikte zwischen den 
Landesgerichten und den Verwaltungsbehörden des Reiches. Das Reich selbst hat keine 
Bestimmungen für noth erachtet, um seine Verwaltung gegen Uebergriffe der Gerichte 
g schützen. Dies schließt aber nicht aus, daß eine Landesverwaltungsbehörde den 
ompetenzkonflikt auch dann erhebt, wenn es sich um Wahrung des Reichsrechts handelt, 
vorausgesetzt, daß die Landesverwaltungsbehörde zur Ausübung des Reichsrechts be- 
rufen. für letztere also keine Reichsverwaltungsbehörde bestellt ist. 
Der negative Kompetenzkonflikt kommt zur Entscheidung auf Antrag einer bei 
der Sache betheiligten Partei. 
Das bei Kompetenzkonflikten von den Gerichten zu beobachtende Verfahren ist 
dargestellt Just.-Minist.-Bl. 1888 S. 4 bis 6. 
  
Ueber die Erhebung des Kompetenzkonflikts bezüglich der im Verwaltungsstreitverfahren 
zu verhandelnden Angelegenheiten bestimmt das 
Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung. Vom 30. Juli 1883. 
(Ges.-Samml. S. 195). 
113. 
Die Central- und die Provinzialverwaltungsbehörden sind auch für die im 
Verwaltungsstreitverfahren zu verhandelnden Angelegenheiten zur Erhebung des 
Kompetenzkonflikts befugt. 
Die Erhebung des Kompetenzkonflikts auf Grund der Behauptung, daß in 
einer im Verwaltungsstreitverfahren anhängig gemachten Sache eine andere Ver- 
waltungsbehörde zuständig sei, findet nicht statt. 
Die zur Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren berufenen Behörden 
haben ihre Zuständigkeit von Amtswegen wahrzunehmen. 
Wird von einer Partei in erster Instanz die Einrede der Unzuständigkeit 
erhoben, so kann über dieselbe vorab entschieden werden. 
Haben sich in derselben Sache die zur Entscheidung im Verwaltungsstreit- 
verfahren berufene Behörde und eine andere Verwaltungesbehörde für zuständig er-
	        
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