Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 97. 283 
1. 
Wenn gegen einen Civil= oder Militärbeamten wegen einer in Ausübung 
oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung oder 
wegen Unterlassung einer Amtshandlung eine gerichtliche Verfolgung im Wege des 
Civil= oder Strafprozesses eingeleitet worden ist, so steht der vorgesetzten Provinzial- 
oder Centralbehörde des Beamten, falls sie glaubt, daß demselben eine zur ge- 
richtlichen Verfolgung geeignete Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unter- 
lassung einer ihm obliegenden Amtshandlung nicht zur Last fällt, die Befugniß zu, 
den Konflikt zu erheben. « 
Auf einen solchen Konflikt finden die Vorschriften des Gesetzes vom 8. April 
1847 (Ges.-Samml. S. 170) Anwendung. 
§ 2. 
Erachtet der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte vor 
Fällung seines Urtheils noch thatsächliche Ermittelungen für erforderlich, so ist er 
befugt, solche durch die Verwaltungs= oder durch die Gerichtsbehörden zu veranlassen, 
insbesondere die Fortsetzung der gerichtlichen Instruktion oder Untersuchung bis zu 
einem zu bestimmenden Ziele anzuordnen. 
Ueber das Ergebniß dieser Ermittelungen sind vor Fällung des Urtheils die 
in der Sache betheiligten Privatparteien zu hören. Denselben ist zu diesem Zwecke 
zu eröffnen, daß ihnen freistehe, sich über die Verhandlungen, deren Einsicht ihnen 
bei dem Gerichte, bei welchem die Verfolgung eingeleitet ist, gestattet werde, binnen 
einer Präklusivfrist von vier Wochen zu erklären. Im Uebrigen kommen auch hier- 
bei die Bestimmungen der §8§ 5 u. f. des Gesetzes vom 8. April 1847 zur An- 
wendung. 
* 3. 
Befindet der Gerichtshof (§ 2), daß dem Beamten eine zur gerichtlichen 
Verfolgung geeignete Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer 
ihm obliegenden Amtshandlung nicht zur Last fällt, so entscheidet er, daß der 
Rechtsweg gegen den Beamten unzulässig sei, im entgegengesetzten Falle aber, daß 
derselbe zulässig sei. — Ein Urtheil der letzteren Art präjudizirt weder dem Be- 
amten in seiner weiteren Vertheidigung vor dem Gerichte, noch dem Gerichte in 
seiner rechtlichen Entscheidung der Sache. 
84. 
Vorstehende Bestimmungen sind auch anwendbar, wenn eine gerichtliche Ver- 
folgung wegen Amtshandlungen (§ 1) gegen einen aus dem Dienste bereits aus- 
geschiedenen Beamten oder gegen die Erben eines Beamten anhängig wird. 
865. 
Unter den Beamten (§ 1) sind auch diejenigen, welche in unmittelbarem 
Staatsdienste stehen, einbegriffen. 
6. 
Das gegenwärtige Gesetz findet auch Anwendung, wenn Personen des Sol- 
datenstandes wegen Handlungen, welche von ihnen bei Ausibung oder in Veran- 
lassung der Ausübung ihrer Dienstverrichtungen vorgenommen sind, oder wegen 
Unterlassung ihrer Dienstverrichtungen bei anderen als Militärgerichten belangt 
werden. — In diesen Fällen steht dem vorgesetzten Divisionskommandeur oder kom- 
mandirenden General die Befugniß zu, den Konflikt zu erheben. Die Verrich- 
tungen des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte werden durch das 
Militärjustizdepartement ausgeübt, welches unter Mitwirkung dreier höheren Offi- 
ziere, die von dem Könige jedesmal auf drei Jahre bezeichnet werden, zu ent- 
scheiden hat. Die Beschlußnahme erfolgt auf den schriftlichen Vortrag zweier rechts- 
verständiger Referenten, deren einer von dem Justizminister, der andere von dem 
Kriegsminister ernannt wird. 
87. 
Ausgeschlossen von dem gegenwärtigen Gesetze bleiben die Fälle, in denen 
die gerichtliche Verfolgung eingeleitet ist: 
1. gegen richterliche Beamte, 
2. gegen andere Justizbeamte, mit Ausnahme der Beamten der Staatsanwaltschaft 
und der gerichtlichen Polizei, 
3. gegen die im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln angestellten Hypo- 
thekenbewahrer und Civilstandsbeamten.
	        
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