Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. VBerfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 99. 
artigkeit der Gegenstände gestattet, übereinstimmenden Form aufgestellt, und ob in Be- 
ziehung auf einzelne Etats oder in Beziehung auf das Ergebniß des ganzen Etats Be- 
merkungen zu machen sind. Thatsächlich hat sich nach und nach diese finanzielle Prüfung 
in eine sachliche umgewandelt, so daß keine neue Anforderung berücksichtigt wird, deren 
sachliche Nothwendigkeit nicht nachgewiesen wird. Auf Grund der Spezialetats stellt 
der Finanzminister den allgemeinen Staatshaushaltsetat zusammen und entwirft das 
Etatsgesetz. Sodann werden beide im Staatsministerium festgesetzt und, nach er- 
theilter Königlicher Genehmigung, mit den Verwaltungsetats der einzelnen Centralbe= 
hörden und der von diesen ressortirenden einzelnen Verwaltungen und Institute, einem 
erläuternden Vorbericht des Finanzministers, eingehenden Begründungen und umpassen- 
den Anlagen — das Ganze umfaßt gegenwärtig drei starke gedruckte Quartbände — 
von dem Finanzminister dem Landtage, zunächst dem Abgcordnetenhause, vorgelegt. 
In dem Adbgeordnetenhause besteht für die Bearbeitung derjenigen Geschäfte, 
welche den Staatshaushaltsetat betreffen, eine besondere Kommission. Ferner kann, unter 
Genehmigung des Hauses, der Präsident auch neben jener Kommission Kommissarien er- 
nennen, welche beauftragt werden, über einzelne Abschnitte des Staatshaushaltsetats 
Information einzuziehen, zu diesem Zwecke nöthigenfalls mit Vertretern der Staatsre- 
gierung zu verhandeln und dem Hause Bericht zu erstatten (Geschäftsordnung vom 
16. Mai 1876 § 26). Das weitere Verfahren war früher folgendes. Die Kommission 
wurde durch je fünf Mitglieder aus jeder der sieben Abtheilungen des Hauses gebildet. 
Um die einzelnen Verwaltungsetats, auf welche der Staatshaushaltungsetat sich gründet, 
und die dem Hause vorgelegten Rechnungen, sowie eine etwaige Vorlage über Etats- 
überschreitungen zu prüfen, wurden dieselben gruppenweise vertheilt. Von dem Vor- 
sitzenden der Kommission wurden für jede Gruppe zwei, für einzelne umfangreichere 
Gruppen auch mehrere Referenten ernannt, welche für die ihnen zugewiesenen Abschnitte 
und Gegenstände den Etat und seine Unterlagen in allen einzelnen Positionen, unter 
Zuziehung der Vertreter der Staatsregierung, prüften. Die Ergebnisse ihrer Thätigkeit 
wurden demnächst einer nochmaligen Prüfung durch die gesammte Budgetkommission 
unterworfen und schließlich durch diese in einer Reihe von Berichten über die einzelnen 
Zweige des Staatshaushaltes vor das Plenum gebracht. Die Kommission gab daneben 
in einem allgemeinen Vorberichte eine generelle Uebersicht von der Finanzlage des 
Staates und entwickelte zugleich die Grundsätze, von welchen sie bei der Prüfung des 
Etats ausgegangen war, indem sie dieselben der Beschlußnahme des Hauses unterwarf. 
Nachdem über sämmtliche Spezialberichte beschlossen worden, stellte die Kommission das 
Ergebniß in einem Schlußberichte zusammen, welcher zugleich die in das Generalfinanzgesetz 
aufzunehmenden Ziffern arithmetisch darstellte. Hierauf faßte das Abgeordnetenhaus 
seinen definitiven Beschluß über die Annahme des Gesetzes. Dieses Verfahren war ein 
höchst sorgfältiges, hatte aber den Uebelstand, daß die spezielle Prüfung des Etats und 
damit der gesammten Staatsverwaltung nicht in dem Plenum, also öffentlich, sondern 
in der Budgetkommission, ja fast nur zwischen den Referenten und den Regierungs- 
kommissaren stattfand, und war so umständlich, daß der Staatshaushaltsetat immer erst 
längere Zeit nach Beginn des Etatsjahres zu Stande kam. Daher wurde das Ver- 
fahren im Jahre 1866 verlassen. Gegenwärtig verhandelt das Abgeordnetenhaus über 
den Budgetentwurf ebenso wie über jeden anderen von der Regierung vorgelegten Ge- 
setzentwurf in erster, zweiter und dritter Berathung im Plenum nach Maßgabe der 
8§ 16 bis 18 seiner Geschäftsordnung. Die erste Berathung ist auf eine allgemeine Dis- 
kussion über die Grundsaze des Entwurfes beschränkt. Nach dem Schlusse derselben be- 
schließt das Haus, ob die Budgetkommission mit der Vorberathung des Entwurfes betrant 
werden solle. Wird dies nicht beschlossen, so können gleichwohl einzelne Abschnitte in 
jedem Stadium der Berathung an die Kommission verwiesen werden. Das Plenum be- 
schließt über die einzelnen Posten des Haupt- oder der einzelnen Spezialetats unter der 
Leitung des Präsidenten, welcher den Gegenstand der Abstimmung deutlich hervorhebt; 
die Bewilligung erfolgt ausdrücklich oder Kiuschweigend Auf diese Weise wird der Etat 
aus seinen Einzelheiten zusammengesetzt und nach dem Abschlusse der Einzelberathung 
mit dem Staatshaushaltsetatsgesetze angenommen. Der vom Abgeordnetenhause beschlossene 
Gesetzentwurf wird mit dem Haupt- und den Spezialetats dem Herrenhause, und zugleich 
werden der Staatsregierung die bei der Budgetberathung von dem Abgeordnetenhause 
gefaßten Resolutionen übersandt. Auch im Herrenhause wird gleich nach erfolgter Kon- 
stituirung eine Kommission für den Staatshaushaltsetat und für Finanzangelegen- 
heiten gewählt. Diese beschäftigt sich in der Regel schon während der im Abgeordneten- 
hause stattfindenden Etatsberathung unter Zuziehung von Vertretern der Staatsregierung
	        
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