Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 100. 
durch die Regierung befriedigt worden sind, nicht genöthigt werden können, das Em- 
pfangene zurückzugeben, trifft nicht zu. Wenn zwischen zwei Handelsgesellschaftern ver- 
einbart ist, daß der einzelne Gesellschafter die Gesellschaft nicht unbeschränkt, sondern nur 
in gewissen Beziehungen vertreten darf, so ist jede Verletzung dieser Vereinbarung ein 
Bruch des Gesellschaftsvertrages und macht den verletzenden Gesellschafter dem anderen 
Gesellschafter gegenüber haftbar, aber Dritten gegenüber ist die Beschränkung ohne recht- 
liche Wirkung, ist auch der einzelne Gesellschafter zur vollen Vertretung der Gesellschaft 
legitimirt (Handelsgesetzbuch Art. 116). Ebenso steht es in diesem Falle. Wie Arndt 
S. 162/163 es treffend ausdrückt: „Nicht die Ausgabe im Einzelfalle, nicht die Verfügung über 
Staatsmittel Dritten gegenüber enthält eine Verfassungsverletzung; diese liegt lediglich 
in dem Umstande, daß die Staatsregierung überhaupt Ausgaben ohne Etatsgesetz leistet. 
Sie gleicht in einem solchen Falle dem nicht mehr legitimirten, aber thatsächlichen Ver- 
walter fremden (des Staats- Vermögens mit der Maßgabe, daß sie den einzelnen 
Gläubigern und Schuldnern des Staates gegenüber stets der allein legitimirte Vertreter 
bleibt. Sie kann und muß daher in solchem Falle den Gläubigern des Staates alle 
begründeten Zahlungen leisten, mögen diese am letzten Ende auf formellem Gesetze be- 
ruhen oder nicht; sie kann und muß alle Forderungen des Staates einziehen, mögen 
diese sich auf Gesetze zurückführen lassen oder nicht. Dem Landtage gegenüber ist sie 
für alle Ausgaben verantwortlich, und sie bedarf, wie in der Thronrede am 5. August 
1866 auf das feierlichste anerkannt ist, der Indemnität, eines internen Aktes der Staats- 
gewalten, dafür, daß sie der Verfassung zuwider ohne Etatsgesetz überhaupt irgend welche 
usgaben geleistet hat.“ Die Haftung der Minister für die von ihnen in verfassungs- 
widriger Weise geleisteten Ausgaben kann, unabhängig von der Ministeranklage wegen 
des Verfassungsbruches, gerichtlich geltend gemacht werden; die Möglichkeit dieser ge- 
richtlichen Geltendmachung ist also nicht bis dahin suspendirt, daß das Ministerver- 
antwortlichkeitsgesetz zu Stande kommt. Aber zur Klageerhebung ist nicht der Landtag 
befugt, sondern die Staatsregierung, der Finanzminister, und so ist jene gerichtliche 
Geltendmachung thatsächlich jedenfalls solange suspendirt, bis das Ministerium, welches 
sich des Verfassungsbruches schuldig machte, zurückgetreten ist. 
Artikel 100. 
Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, so weit 
in den Staatshaushaltsetat aufsgenommen oder durch besondere 
Gesetze angeordnet sind, erhoben werden. 
A. 
Die Staatsausgaben sollen durch die Staatseinnahmen gedeckt werden. Diese sind theils 
ordentliche, theils außerordentliche. 
Die ordentlichen Einnahmen werden entweder aus privatwirthschaftlichen Unter- 
nehmungen gezogen oder als Beiträge aus den Einzelwirthschaften der Unterthanen er- 
boben. Zu den ersteren gehören die Einnahmen aus den Domänen und Forsten, den 
erg- und Hüttenwerken, den Salinen, der Porzellanfabrik, der Seehandlung, der Staats- 
lotterie, dem Eisenbahnbetriebe, dem Debit der Gesetzsammlung, der Regierungsamts- 
blätter und des Reichs= und Staatsanzeigers. Die letzteren stellen sich theils als spezieller 
Kostenersatz einer bestimmten Staatsleistung dar, als sogen. Gebühren (Gerichts= und 
Verwaltungsgebühren, einschließlich der Strafgelder, sowie der Jurisdiktions= und Ver- 
waltungsbeiträge anderer Staaten, Brücken-, Fähr- und Hafengelder, Strom- und Kanal- 
gefälle, Schlagschatz u. ä.), theils als generelle Entgelte der Staatsleistungen in ihrer 
Gesammtheit, als Steuern im engeren Sinne. 
Zu den außerordentlichen Einnahmen gehören die dem Staate anfallenden herren- 
losen Sachen (bona vacantia), der Ertrag aus den Veräußerungen von Staatsver- 
mögen, insbesondere von Domänen, Geschenke, Erbschaften, Kriegskontributionen, An- 
leihebeträge. 
Die Steuern sind Zwangsbeiträge zu den allgemeinen Staatsbedürfnissen, welche nicht 
als Entgelt für eine bestimmte Staatsleistung entrichtet, sondern vom Staat kraft seiner 
Finanzhoheit den Staatsangehörigen nach einem bestimmten Maßstabe auferlegt werden. 
Sie können Einkommen-= oder Ertragssteuern, direkte oder indirekte sein. In Helgoland 
werden noch keine Staatssteuern erhoben, und für die Hohenzollern'schen Lande besteht 
eine besondere Stenerverfassung. Von diesen Landestheilen abgesehen, hat die Preußische 
Monarchie folgende Steuern.
	        
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