Einleitung. 8 1. 15
der ganzen Provinz oder eines Theils derselben Beziehung haben, von
den Provinzialständen aunehmen, solche prüfen und sie darauf be-
scheiden, und
4) die Kommunalangelegenheiten der Provinz ihren Beschlüssen, unter
Vorbehalt Unserer Genehmigung und Aussicht, überlassen.
Dem gegenwärtigen Gesetze, das jedoch auf Neufchatel und Valenzia
keine Anwendung findet, wollen Wir für jede Provinz ein besonderes Ge-
setz, welches die Form und die Grenzen ihres ständischen Verbandes be-
stimmt, nachfolgen lassen.
Sollten Wir künftig in diesen besonderen Gesetzen Abänderungen als
wohlthätig und nützlich erachten, so werden Wir diese nur nach vorher-
gegangenem Beirath der Provinzialstände treffen.
Wann eine Zusammenberufung der allgemeinen Landstände erforder-
lich sein wird, und wie sie dann aus den Provinzialständen hervorgehen
sollen, darüber bleiben die weiteren Bestimmungen Unserer landesväterlichen
Fürsorge vorbehalten.
Diesem allgemeinen Gesetze folgten acht fast wörtlich übereinstimmende
einzelne Gesetze über die Provinzialstände in den einzelnen Provinzen, nämlich
für Brandenburg, Preußen und Pommern am 1. Juli 1823, für Schlesien,
Sachsen, Rheinprovinz, Westfalen und Posen am 27. März 1824 (Ges.=
Samml. 1823 S. 130, 138, 146; 1824 S. 62, 70, 101, 108, 141).
Dazu kamen in den Jahren 1825 bis 1828 noch eine Reihe Verordnungen
über Einrichtung der Kommunallandtage für einzelne Theile der Mark Bran-
denburg, der Lausitz und Pommerns, sowie der Kreisstände für die einzelnen
Provinzen.
Die Provinzialstände zerfielen in vier Klassen. Zum ersten Stande ge-
hörten die mit Virilstimmen begabten reichsunmittelbaren Familienhäupter, die
standesherrlichen Häuser in Sachsen, Schlesien, Brandenburg, Posen und
Pommern und, seit 1840, in der Provinz Preußen die vier Linienhäupter
der Grafen Dohna und Graf Kayserling-Rautenburg. Den zweiten Stand
bildeten die gewählten Abgeordneten der großen ländlichen Grundbesitzer ohne
Rücksicht auf Geburt, den dritten die Abgeordneten der Städte, den vierten,
wiederum ohne Rücksicht auf Geburt, die Abgeordneten der kleinen ländlichen
Grundbesitzer. Die Zahl der Mitglieder der einzelnen Landtage war nach
dem Umfange der Provinzen und nach der Zahl der in den einzelnen Provinzen
mit Virilstimmen versehenen Mitglieder des ersten Standes eine sehr verschiedene.
Sie schwankte nämlich zwischen 48 und 101, war aber dergestalt nach den vier
Klassen gegliedert, daß die Mitglieder der beiden ersten Stände zusammen
mindestens die Hälfte der Gesammtzahl, meistens aber drei Fünftel bis zwei
Drittel derselben ausmachten. In allen Ständen war Grundeigenthum Be-
dingung der Standschaft. Die Verhandlungen waren geheim. Den Vorsitz
führte ein vom König aus den Mitgliedern des ersten oder zweiten Standes
ernannter Landtagsmarschall. Eine periodische Einberufung war nicht zuge-
sichert; in der Regel kamen die Landtage alle zwei Jahre zusammen. Bei
allgemeinen Gesetzen und Maßregeln hatten sie nur eine berathende Stimme.
Ein Nachweis über die Verwendung der Staatseinnahmen wurde ihnen nicht
vorgelegt. Ein Petitionsrecht hatten sie nur bezüglich der die eigene Provinz
betreffenden Angelegenheiten. Irgend eine Verbindung zwischen den einzelnen