Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 108. 339 
botenen Eides unabhängig, und weder die Verfassungsurkunde, noch ein Spezialgesetz 
schreibt vor, daß die Mitgliedschaft zum Landtage an die Leistung des Eides gebunden, 
somit mit der Weigerung der Leistung der Verlust der Mitgliedschaft verknüpft sei. 
Dies ist in der Praxis der beiden Häuser des Landtages niemals zweifelhaft gewesen 
und die Weigerung der Eidesleistung nur als ein Hinderniß betrachtet worden, die Mit- 
gliedschaft auszuüben. Die Geschäftsordnung für das Haus der Abgeordneten 
vom 16. Mai 1876 verordnet in § 6 Abs. 2: „die Weigerung der Ableistung des 
Eides auf die Verfassung schließt die Befugniß aus, einen Sitz im Hause einzunehmen.“ 
Der Weigerung steht jeder Zusatz gleich, welcher die durch den Eid zu erhärtende Pflicht 
an Vorbehalte oder Bedingungen knüpft. Geleistet wird der Eid von jedem neu ein- 
tretenden Landtagsmitgliede sogleich nach der Konstituirung des Hauses bezw. sogleich 
beim Eintritt in das Haus. Ein bereits früher, als Beamter oder als Landtagsmitglied, 
vereidigtes Mitglied kann sich auf seinen früheren Eid berufen. Bei einem Thronwechsel 
haben fämmtliche Mitglieder den Eid aufs Neue zu leisten, jedoch sind auch hier die- 
jenigen von der nochmaligen Leistung entbunden, welche dem neuen Souverän schon als 
Beamte geschworen haben. 
Auch die Verpflichtung der — im unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst sehen- 
den — Beamten, dem Könige treu und gehorsam zu sein und die Verfassung gewissen- 
haft zu beobachten, ist unabhängig von der Leistung des durch Art. 108 gebotenen Eides, 
und weder die Verfassungsurkunde, noch ein Spezialgesetz schreibt vor, daß das Amt an 
die Leistung des Eides gebunden sei, vielmehr hängen weder die persönlichen Rechte 
und Pflichten des Beamten, noch die Erfüllung der Amtspflichten von der Ableistun 
des Dienst= und Verfassungseides ab. Aber Art. 108 begründet, indem er den Ei 
von allen Staatsbeamten geleistet wissen will, eine Pflicht für diese Personen eben wegen 
ihres Amtes, also eine Amtspflicht. Denn für das Bestehen einer Amtspflicht gilt es 
gleich, ob die Pflicht eine der Beamtenklasse, um welche es sich handelt, eigenthümliche, 
oder ob sie eine allgemeine für alle Beamte ist, und ebenso ob die Pflicht sich auf die 
Amtsverrichtung selbst oder auf die allgemeinen Bedingungen und Voraussetzungen der 
gehörigen Verrichtung des Amtes bezieht. Die Weigerung eines Beamten, jenen Eid 
zu leisten, verbunden mit der Erklärung, sein Amt nicht aufgeben zu wollen, schließt 
daher eine Verletzung der Amtspflicht, ein Dienstvergehen, ein, und der weigernde Be- 
amte kann, wie es thatsächlich auch geschehen ist, wegen seiner Weigerung im Wege des 
Disziplinarverfahrens seines Amtes enthoben werden. 
Der von dem Beamten zu leistende Eid deckt sich vollständig mit dem Diensteide. 
Dieser wird beim ersten Eintritt in ein Amt geleistet. Die durch Allerhöchsten Erlaß 
vom 10. Februar 1835 angeordnete Verweisung auf den geleisteten Diensteid bei Ein- 
führung in ein neues Amt ist durch § 2 der Verordnung, betreffend die Form der 
Diensteide, vom 6. Mai 1867 (Ges.-Samml. S. 715) wegfällig geworden (siehe auch 
den Staatsministerialbeschluß vom 3. Oktober 1888, Just.= „Nst.-Ie 1889 S. 7). 
Die Vereidigung erfolgt durch den Chef derjenigen Behörde, bei welcher der Beamte 
angestellt wird, und wenn er selbst der Chef ist, hat er sich selbst zu vereidigen. Bei 
einem Thronwechsel müssen alle Beamten den Eid aufs Neue leisten, wenn sie nicht 
schon dem neuen Souverän als Landtagsmitglieder geschworen haben, und zwar erfolgt 
die Vereidigung der Verwaltungsbeamten herkömmlicher Weise durch den Kreislandrath, 
ausgenommen die der ihm übergeordneten Beamten der allgemeinen Staatsverwaltung. 
Die Form des Eides ist durch die Verordnung, betreffend die Vereidigung 
der Beamten in den mit der Preußischen Monarchie vereinigten Lan- 
destheilen, vom 22. Januar 1867 (Ges.-Samml. S. 132) in Verbindung mit dem 
Staatsministerialbeschluß vom 31. Oktober 1867 Nr. 4 (Just.-Minist.-Bl. 
S. 397, Verwalt.-Minist.-Bl. S. 326) und durch die genannte Verordnung vom 
6. Mai 1867 für sämmtliche Beamten dahin festgestellt worden: 
Ich N. N. schwöre zu Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Seiner 
Königlichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich unterthänig, 
treu und gehorsam sein und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten 
nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen, auch die Verfassung ge- 
wissenhaft beobachten will, so wa mir Gott helfe. 
Dem Schwörenden bleibt ds überla sen, diesen Eidesworten die seinem religiösen 
Bekenntniß entsprechende Bekräftigungsformel hinzuzufügen. Bei den im mittelbaren 
Staatsdienste stehenden Beamten tritt der Formel diejenige Eidesnorm hinzu, mittels 
deren diese Beamten sich, den bestehenden Bestimmungen und den besonderen Verhältnissen 
gemäß, dem unmittelbaren Dienstherrn, z. B. einem Standesherrn, zu verpflichten haben. 
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