I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 110. 111. 341
können, entscheiden eben die Bestimmungen der Verfassungsurkunde über die Nothwendigkeit
oder Nichtnothwendigkeit einer Zustimmung des Landtages.
Artikel 110.
Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben
bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in
Thätigkeit. -
Wie nach Art. 109 alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelner
Gesetze und Verordnungen, welche der Verfassungsurkunde nicht zuwiderlaufen, in Kraft
bleiben, bis sie auf verfassungsmäßigem Wege abgeändert und aufgehoben sind, so
bleiben bis dahin auch die durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden in Kraft,
mag auch immerhin die Verfassungsurkunde die Regelung der gesammten Materie,
z. B. des Schul= und Unterrichtswesens (Art. 26), durch ein besonderes organisatorisches
Gesetz in Aussicht genommen haben.
Der Art. 110 hat also insoweit nur transitorische Bedeutung. Nach der Ansicht
v. Rönne's (RBd. I. § 98 S. 426) hat er auch die allgemeine Bedeutung, daß die be-
stehenden Gesetze über die angeordneten Behörden, soweit sie nicht nach Art. 109 als
verfassungswidrige für beseitigt anzusehen sind, solange bestehen bleiben sollen, bis sie
im Wege der Gesetzgebung abgeändert werden. Für diese Ansicht spricht allerdings die
Stellung des Art. 110 in dem Abschnitte „Allgemeine Bestimmungen", aber was
v. Rönne damit beweisen will, muß ohnehin als gewiß angenommen werden (siehe
Anm. B. zu Art. 45 oben S. 129).
Artikel 111.
Für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können bei dringender
Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Artikel 5, 6, 7, 27, 28,
29, 30 und 36 der Verfassungsurkunde zeit= und distriktsweise außer
Kraft gesetzt werden.
Das Nähere bestimmt das Gesetz.
A. Das hier in Aussicht genommene Gesetz ist das Gesetz über den Belagerungszustand
vom 4. Juni 1851 (Ges.-Samml. S. 451). Dasselbe ist durch
1. Verordnung, betreffend die Einführung der Preußischen Gesetze und die Justiz-
verwaltung in der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf, vom 22. Mai 1867,
Art. 1 (Ges.-Samml. S. 729);
2. Verordnung, betreffend das Strafrecht und das Strafverfahren in den durch das
Gesetz vom 20. September 1866 und die beiden Gesetze vom 24. Dezember 1866
mit der Monarchie vereinigten Landestheilen, mit Ausnahme des vormaligen Ober-
amtsbezirks Meisenheim und der Enklave Kaulsdorf, vom 25. Juni 1867 Art. II. H.
(Ges.-Samml. S. 291);
3, Vero rdnung, betreffend die Einführung der im Westrheinischen Theile des Regierungs-
bezirks Koblenz geltenden Gesetze in dem vormals Hessen-Homburgischen Oberamte
Meisenheim, vom 20. September 1867 §1 (Ges.-Samml. S. 1534);
4. Gesetz, betr. den Rechtszustand des Jadegebietes, vom 23. März 1873 § 2 (Ges.=
Samml. S. 107);
5. Verordnung, betr. die Einführung Preußischer Landesgesetze in Helgoland, vom
22. März 1891 § 1 III. (Ges.-Samml. S. 39)
in die bezeichneten Landestheile eingeführt und durch Art. 68 der Reichsverfassung in-
terimistisch für ein — nicht für Bayern geltendes — Reichsgesetz erklärt.
Nach Art. 68 der Reichsverfassung ist nicht der „Belagerungszustand“, sondern
der „Kriegszustand“ und zwar nicht von dem im Gesetze vom 4. Juni 1851 bezeichneten
Festungskommandanten, kommandirenden General oder Staatsministerium, sondern nur
vom Kaiser zu erklären. Die Verkündigung hat bei Trommelschlag oder Trompeten-
schall zu erfolgen; wenn außerdem die Erklärung in bestimmter Weise ohne Verzug zur