Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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D. 
II. Ges. über 2c. Bundes= u. Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870. § 14. 
n aber eine einfache und durch jene analoge Anwendung lediglich erschwert gewesen. 
Nämlich: 
1. Die Abtretung eines Territoriums hat den Verlust der anderen Staatsangehörig- 
keiten dann nicht zur Folge, wenn sie an einen anderen Bundesstaat erfolgt. Da- 
gegen erlischt durch die Abtretung an das Ausland, welche jedoch nur durch das 
Reich erfolgen kann (Anm. A. zu Art. 2 der Verfassungsurkunde, oben S. 45), 
die Reichsangehörigkeit und, da eine Staatsangehörigkeit ohne Reichsangehörigkeit 
nicht möglich ist, geht auch jede Staatsangehörigkeit verloren. Siehe übrigens 
Anm. B. zu § 2, oben S. 252. 
2. Bei der Entlassung auf Antrag und durch Ausspruch der Behörde erfolgt der Ver- 
lust durch eine amtliche Thätigkeit einer Staatsbehörde. Es giebt kein Gesetz, 
welches dieser Thätigkeit der Behörde eines einzelnen Bundesstaats Wirksamkeit 
auch bezüglich der Angehörigkeit zu anderen Bundesstaaten verleiht. Die Preußische 
Behörde kann daher wohl die Angehörigkeit zum Preußischen, nicht aber auch die 
zum Bayerischen u. s. w. Staat aufheben. 
3. Die drei Fakta des zehnjährigen Aufenthalts im Auslande, der Legitimation durch 
einen Ausländer und der Verheirathung an einen Ausländer bleiben unveränderlich 
die gleichen Fakta, mag der Abwesende, der Legitimirte und die Verehelichte eine 
oder mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen, beruhen auf dem Gegensatze des Aus- 
landes zum Inlande und sind durch keine gesetzliche Bestimmung mit ihrer Wir- 
kung auf eine einzelne Staatsangehörigkeit beschränkt, wirken daher bezüglich sämmt- 
licher mehreren Staatsangehörigkeiten aufhebend. Dies muß um so entschiedener ange- 
nommen werden, als sich gar nicht angeben läßt, welche der mehreren Angehörig- 
keiten allein verloren gegangen sein sollte, also nur die Alternative bleibt: keine 
geht verloren, oder: alle gehen verloren. 
Die Kabinetsordre vom 10. März 1839, betreffend das Verfahren bei Zweifeln, ob ein 
aus dem Inlande verwiesener und wegen seiner Rückkehr zur Untersuchung gezogener 
Landstreicher als Inländer zu betrachten ist oder nicht (Ges.= Samml. S. 106), hat 
bestimmt, daß, wenn ein auf Anordnung der Polizeibehörde als Ausländer über die 
Grenze gebrachter Landstreicher zurückkehrt und in der dieserhalb gegen ihn eingeleiteten 
gerichtlichen Untersuchung ein Inländer zu sein behauptet, oder die Frage, ob er die 
Preußische Staatsangehörigkeit besitze, sonst irgend zweifelhaft ist, das Gericht die ge- 
schlossenen Untersuchungsakten der betreffenden Regierung zur gutachtlichen Acußerung 
hierüber mittheilen und dieses Gutachten bei Abfassung des Erkenntnisses zu Grunde 
legen soll.“ Diese Anordnung ist mit Art. 86 der Verfassungsurkunde und § 1 des Ge- 
richtsverfassungsgesetzes unvereinbar und daher nicht mehr geltendes Recht. Die Gerichte 
haben also die Frage der Staatsangehörigkeit selbstständig zu entscheiden, ohne allerdings 
gehindert zu sein, den betreffenden Regierungspräsidenten oder Oberpräsidenten um eine 
gutachtliche Aeußerung zu bitten. Siehe v. Rönne BRd. II. 8 132 S. 24 Anmerk. 2 
und Arndt Anmerk. 2 zu § 13. Uebrigens kann, wie auch v. Rönne a. a. O. be- 
merkt, die Frage der Staatsangehörigkeit nicht selbstständig für sich und unmittelbar, 
sondern nur in präjudizieller Weise im Laufe eines bereits anhängigen Prozesses zur 
richterlichen Eutscheidung gebracht werden und ist, soweit von der Entscheidung publi- 
zistische Folgen abhängen, im Verwaltungswege zu erledigen. Eine selbstständige un- 
mittelbare richterliche Entscheidung findet statt nur bei der Auswahl der Schöffen und 
Geschworenen, weil das Amt eines Schöffen und Geschworenen nur von einem Deutschen 
versehen werden kann (Gerichtsverfassungsgesetz §§ 31, 34, 39, 41, 87). 
  
8 14. 
Die Entlassung wird durch eine von der höheren Verwaltungs— 
behörde des Heimathsstaates ausgefertigte Entlassungsurkunde ertheilt. 
A. 
B. 
Siehe Anmerk. B. zu § 6, oben S. 354. 
Bei der Entlassung Preußischer Unterthanen soll die höhere Verwaltungsbehörde Sorge 
tragen, daß die ihnen ertheilten Heimathsscheine — unten Anmerk. B. 1 zu § 21 — 
zurückgezogen werden, (Cirkularreskript des Ministers des Innern vom 17. Dezember 
1892, Verwaltungs-Minist.-Bl. S. 317).
	        
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