III. Verordn. über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v 11. März 1850. 81. 383
Eine hierauf bezügliche bhern enthält das Gesetz, betreffend die Erwerbs-
und Wirthschaftsgenossenschaften, vom 1. Mai 1889 (Reichs-Gesetzbl. S. 55)
in seinem
8 143.
Mitglieder des Vorstandes werden mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark
bestraft, — — wenn sie in der Generalversammlung die Erörterung von Anträgen
gestatten oder nicht hindern, welche auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sind,
deren Erörterung unter die Gesetze über das Versammlungs= und Vereinsrecht fällt.
D. Der Unternehmer hat mindestens vierundzwanzig Stunden vor dem Beginn der Ver-
sammlung unter Angabe des Ortes und der Zeit derselben Anzeige bei der Ortspolizei-
behörde zu erstatten.
1. Die Anzeige muß von dem Unternehmer, entweder von ihm selbst oder in seinem
Namen von einem hiermit von ihm beauftragten Dritten, gemacht werden, entweder
mündlich oder schriftlich, ohne daß jedoch durch die Wahl der schriftlichen Form die
Polizeibehörde verpflichtet wird, dem Anzeigenden die Bescheinigung über die er-
solgte Anzeige zu übersenden, statt sie von ihm abholen zu lassen. it der Anzeige
ist sowohl der durch § 1 gebotenen Anzeigepflicht, wie auch dem legislatorischen
Zwecke dieses Gebotes genügt. Es ist nicht erforderlich, daß der Unternehmer einer
Versammlung dieselbe persönlich eröffne oder ihr überhaupt beiwohne (Kammergericht
13. November 1890, Johow Jahrbuch Bd. 11 S. 299).
2. Die Anzeige muß bei der Ortspolizeibehörde gemacht werden. Die Ortspolizei
wird gehandhabt:
in den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung von dem Polizeipräsidenten,
Polizeidirektor, Polizeikommissar;
in den Städten mit kommunaler Polizeiverwaltung von dem Polizeiverwalter,
in Ermangelung eines besonderen Polizeiverwalters in der Provinz Hannover,
von dem Magistrat, in den übrigen Provinzen von dem Bürgermeister;
auf dem Lande: in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg,
Pommern, Schlesien, Sachsen und Schleswig-Holstein von den Amtsvorstehern,
in Posen von den Distriktsvorstehern, in Hannover von den Landräthen, in
Westfalen von den Amtmännern, in Hessen-Nassau von den Bürgermeistern
(in den Gemeinden des Landkreises Frankfurt a. M. von dem Polizeipräsi-
denten zu Frankfurt a. M.), in der Rheinprovinz von den Bürgermeistern,
in den Hohenzollernschen Landen von den Oberamtmännern.
Die nicht unter diese Kategorien fallenden ländlichen Gemeindevorsteher und
die Gutsvorsteher sind Organe des Polizeiverwalters, nicht aber selbst Polizei-
behörde; eine an sie erstattete Anzeige genügt also nicht (Obertribunal 7. November
1867, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 8 S. 681; Kammergericht 16. Oktober 1882,
Johow Jahrbuch Bd. 4 S. 302).
3. Die Anzeige muß eine Angabe von Ort und Zeit der Versammlung enthalten, also
genau das Versammlungslokal und den zeitlichen Beginn — nicht die Dauer —
bezeichnen. Der Zweck, welcher mit der beabsichtigten Berathung oder Erörterung
verbunden wird, ob Dritte aufgeklärt oder auf deren Willensbestimmung eingewirkt
werden soll, braucht, wie er für die Anwendung dieses § irrelevant ist, bei der
Anzeige nicht angegeben zu werden. Die Beweggründe, welche den Veranstalter
einer Le#sammitung leiten mögen, stehen nicht unter dem Urtheil der Polizei, welche
sich lediglich an die Thatsache der Versammlung, wie sie in die Erscheinung tritt,
zu halten hat. (Oberverwaltungsgericht 11. Oktober 1884, Entscheidungen
Bd. 11 S. 382).
4. Die Anzeige muß mindestens vierundzwanzig Stunden vor dem Beginn der Ver-
sammlung der Polizeibehörde vorliegen, widrigenfalls diese die Bescheinigung zu
verweigern hat. Hiervon abgesehen, muß die Bescheinigung sofort, ohne Rücksicht
auf Sonn= und Feiertage und auf Dienststunden, ertheilt werden. Hat der be-
treffende Beamte die Bescheinigung widerrechtlich verzögert, also in Wirklichkeit ver-
weigert, und läßt er demnächst Mangels derselben die Versammlung auflösen, so
enthält dieses Verhalten einen Mißbrauch der Amtsgewalt und ist, da der Beamte
durch die Auflösung die Versammelten zur sofortigen Entfernung genöthigt hat,
aus § 339 des Strafgesetzbuchs strafbar (Obertribunal 22. Juni 1878, Oppenhoff
Rechtsprechung Bd. 19 S. 325). Für einen besonderen Fall hat der Minister des
Junern eine Verweigerung der Bescheinigung gleichwohl für zulässig erachtet. Ein
Reskript vom 25. April 1878 bestimmt nämlich: