Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Berordn. über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. § 8. 399 
und der zwischen Volksschule und Gymnasium liegenden Lehranstalten wirklich genießen 
oder genießen würden, wenn sie nicht einen korrelaten Privatunterricht empfangen, ohne 
Rücksicht auf das Alter, also auch bereits großjährige Primaner. 
Für Lehrlinge ist ebenfalls keine Altersgrenze gesetzt, so daß der majorenne 
Gymnasiast vereinsunmündig, der Lehrling mit Beendigung der Lehrlingszeit, also regel- 
mäßig spätestens mit 19 Jahren, sehr oft schon erheblich früher, jeder Andere mit Ab- 
solvirung der Volksschulpflichtigkeit vereinsmündig ist. Es liegt auf der Hand, daß die 
gesetzliche Bestimmung jedenfalls bezüglich der hhrünge, welche ja einem zünftigen 
Zwange nicht unterliegen, reformbedürftig ist. Am richtigsten wäre es, die Vereins- 
mündigkeit allgemein mit der Großjährigkeit eintreten zu lassen, wobei event. die nach 
jurückgelegtem achtzehnten Lebensjahre zulässige Großjährigkeitserklärung aushelfen 
önnte (Vormundschaftsordnung § 61). 
2. Die politischen Vereine dürfen nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu 
gemeinsamen Zwecken in Verbindung treten, insbesondere nicht durch Komités, Auss usie, 
Centralorgane oder ähnliche Einrichtungen oder durch gegenseitigen Schriftenwechsel. 
Der Verein, mit welchem ein politischer Verein hiernach nicht in Verbindung 
treten darf, muß gleicher Art sein, also ebenfalls bezwecken, politische Gegenstände in 
Versammlungen zu erörtern. Das Gesetz setzt aber nicht eine Gleichartigkeit nach allen 
Richtungen, sondern nur nach derjenigen Richtung voraus, welche die Vereine als poli- 
tische charakterisirt und aus diesem Grunde für sie die besonderen Vorschriften des § 8 
als nothwendig erscheinen läßt (Obertribunal 26. Februar 1873, Oppenhoff Recht- 
sprechung Bd. 14 S. 172). Hieraus folgt keineswegs, daß auch die gemeinsamen Zwecke, 
zu deren Erreichung die beiden Vereine in Verbindung treten, politische sein müssen. 
Das Gesetz verbietet vielmehr jede Koalition zu gemeinsamen Zwecken, ohne zu unter- 
scheiden, welcher besonderen Art diese gemeinsamen Zwecke sind (Reichsgericht 10. No- 
vember 1887, Entscheidungen in Strafsachen Bd. 16 S. 383). Die Strafbarkeit der Ver- 
bindung zweier politischer Vereine wird dadurch nicht ausgeschlosen daß die Mitglieder 
des einen Vereins statutenmäßig auch Mitglieder des anderen sind und die Versamm- 
lungen des ersteren nur nach Maßgabe der Statuten des letzteren stattfinden (Ober- 
tribunal 30. April 1869, Oppenhoff Bd. 10 S. 279). Auch nicht dadurch, daß die 
Mitglieder beider Vereine statutenmäßig nur als Mitglieder eines großen Zentralvereins 
erscheinen und daß nach der dem letzteren in seinem Statute gegebenen Organisation formell 
als solche anerkannte Zweigvereine oder mit einer gewissen Selbstständigkeit bekleidete 
Abtheilungen des Hauptvereins nicht bestehen, oder daß die in einem mehr oder minder 
bestimmt abgegrenzten Bezirk wohnenden Mitglieder bei ihrer durch die Erörterung po- 
litischer Gegenstände in Versammlungen innerhalb jenes Bezirks sich bethätigenden Wirk- 
samkeit ohne eigene Initiative lediglich nach den speziellen Anordnungen und unter der 
Leitung eines außerhalb residirenden Zentralorgans handeln (Obertribunal 7. Oktober 
1873, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 14 S. 607). Denn der 8§8 8b hat, wie sich aus 
den ihm zu Grunde liegenden Verhandlungen der gesetzgebenden Faktoren ergiebt, ge- 
rade den Zweck, die Thätigkeit der politischen Vereine zu lokalisiren, überhaupt eine jede 
förmliche Organisation der politischen Vereine unter sich, durch welche neben der ge- 
ordneten Regierung sich eine zweite bildet, jede Zentralisirung solcher Vereine zu einem 
großen konsolidirten und organisirten Ganzen zu verhindern, dessen Gefährlichkeit eben 
in der Beherrschung der affiliirten Vereine durch das Zentralorgan, also in der Unselbst- 
ständigkeit der Ersteren gefunden worden ist. Es ist bereits oben — Anmerk. C. zu 
§ 2, S. 387 — darauf hingewiesen worden, wie für die Frage, ob es sich um mehrere 
selbstständige oder unselbstständige Vereine oder um einen einzigen großen Verein ohne 
Zweig= und Lokalvereine handelt, die der Organisation in den Statuten gegebene äußere 
Form nicht maßgebend, sondern unter freier Würdigung aller Umstände zu prüfen ist, 
ob in der lokalen Bethätigung des Vereinslebens der Charakter von in gewissem Maße 
abgeschlossenen, unter sich verbundenen Vereinen hervortritt. Bezüglich des Bewußtseins 
der Mitglieder genügt es hierbei, daß dieselben wissentlich in das thatsächliche Verhält- 
niß zu einander getreten sind, welches die charakteristischen Merkmale eines besonderen 
Vereins an sich trägt, mögen sie sich auch der Mitgliedschaft eines solchen im gesetzlichen 
Sinne nicht bewußt gewesen sein, vielmehr geglaubt haben, nur als Mitglieder des Gesammt- 
vereins zu handeln. Daher wird auch die Annahme, daß ein besonderer Verein vorhanden 
sei, nicht schon durch den Umstand allein als irrig erwiesen, daß die sich betheiligenden Per- 
sonen sich einem über ein weiteres Gebiet ausgedehnten größeren Vereine haben anschließen 
wollen, und daß ein Theil der Mitgliederbeiträge an diesen abgeführt wird. Denn wenn 
aus den übrigen Umständen zu schließen ist, daß zwischen den an einem Orte befindlichen 
 
	        
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