Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

400 IM. Verordn über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 8. 
Mitgliedern zugleich ein besonderer Verein besteht, so bildet gerade die statutenmäßige 
Ablieferung der erhobenen Mitgliederbeiträge an den Vorstand des größeren Vereins 
eine Einrichtung, welche, weil sie eine organische Verbindung zwischen den Lokalvereinen 
und dem Gesammtvereine in sich schließt, gesetzwidrig ist (Obertribunal 22. Februar 1877, 
Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 18 S. 154, 158). 
Ein in Verbindung-Treten kann schon nach der sprachlichen Bedeutung dieses 
Ausdruckes nicht in einem einseitigen, zur Herstellung einer Verbindung geschehenen 
Schritte gefunden werden, sondern dazu gehört, daß die Handlung, durch welche der 
eine Verein sich mit dem andern in Verbindung setzen will, eine entsprechende Erwide- 
rung Seitens des letzteren findet oder eine sonstige auf die Herstellung gegenseitiger Be- 
iehungen gerichtete Thätigkeit desselben zur Folge hat (Obertribunal 12. Juli 1875, 
ppenhoff Rechtsprechung Bd. 16 S. 358/. Dagegen macht eine bloße BWechsel- 
wirkung in der Art, daß jeder der beiden Vereine die Bestrebungen des anderen för- 
dert, auch wenn sie eine bewußte und beabsichtigte ist, das Verhältniß der beiden Ver- 
eine noch nicht zu einem verbotenen. Denn das Gesetz erachtet nur eine zum Hinarbeiten 
auf dasselbe Ziel geschlossene direkte Verbindung für unzulässig, dieselbe möge von An- 
fang an in der Brganisation der Vereine begründet sein oder auf nachträglicher aus- 
drücklicher Verständigung oder in solchen Handlungen der Vereine und der sie vertre- 
tenden Personen beruhen, welche eine bestehende Verständigung dokumentiren. Eine solche 
Verbindung liegt nicht schon darin, daß in der Versammlung eines der beiden Vereine 
die Versammlung des anderen angekündigt und zu dem Besuch derselben aufgefordert 
wird, und eben owenig darin, daß die Mitglieder des einen Vereins zum Theil Mit- 
lieder des anderen Vereins sind (Obertribunal 8. März 1877, Oppenhoff Recht- 
prechung Bd. 18 S. 197). 
3. Die dritte Beschränkung der politischen Vereine ist die, daß Personen weiblichen 
Geschlechts, Schüler und Lehrlinge auch als Nichtmitglieder den Versammlungen und 
Sitzungen nicht beiwohnen dürfen. Welchem Zweck die konkrete Versammlung oder 
Sitzung dienen soll, wird nicht unterschieden. 
Werden die beiden ersten Beschränkungen üÜberschritten, so ist die Ortspolizei- 
behörde berechtigt, — nicht verpflichtet — den Verein bis zur ergehenden richterlichen 
Entscheidung, § 16, zu schließen. Gegen diese Maßregel steht die Beschwerde bezw. die 
Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu (Anm. E. zum Eingange, oben S. 378). Wer- 
den die der Versammlung oder Sitzung trotz des gesetzlichen Verbots beiwohnenden 
Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge auf die Aufforderung des anwesenden Ab- 
geordneten der Ortspolizeibehörde nicht entfernt, so darf letzterer die Versammlung oder 
itung sease. Aus dieser Folge der Zuwiderhandlung gegen die dritte Beschränkung 
ergiebt si 
4. als weitere, übrigens nur formelle Beschränkung, daß nicht nur gemäß § 1 des 
Gesetzes die Versammlungen, sondern auch die Sitzungen der politischen Vereine in Gemäßheit 
des § 1 des Gesetzes der Ortspolizeibehörde anzuzeigen sind, also auch die §§ 4 bis 6 auf sie 
Anwendung finden. Allerdings fragt es sch , was denn unter Sitzungen im Gegensatz 
zu Versammlungen zu verstehen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat am 1. Oktober 
5 0. das nachstehende bereits mehrfach allegirte Urtheil erlassen (Entscheidungen Bd. 20 
432): 
Die Verordnung zur Verhütung eines Mißbrauchs des Versammlungs- und 
Vereinsrechts vom 11. März 1850 bestimmt im § 8 Abs. 1: „Für Vereine, welche 
bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, gelten.. nach- 
stehende Beschränkungen: 
a) sie dürfen keine Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge als Mitglieder auf- 
nehmen . . . Abs. 3. Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge dürfen den 
Versammlungen und Sitzungen solcher Vereine nicht beiwohnen 
In dem Vorprozesse war die Aufhebung einer Verfügung, welche die Be- 
theiligung der Frauen an den Versammlungen des Vereins generell untersagte, um 
deswillen verlangt, weil jene Betheiligung nur bei bei solchen Zusammenkünften 
stattgefunden habe und auch stattfinden dürfe, zu welchen vom Vorstande als zu 
„Frauen“- oder „Lese-Abenden“, zu einer „geselligen“ oder „deklamatorischen Unter- 
haltung" geladen sei. Bei Abweisung dieser Klage wurde erwogen, daß das 
Vereinsgesetz zwar nicht das Privatleben der Mitglieder politischer Vereine, auch nicht 
die Familienfestlichkeiten einer polizeilichen Kontrole oder Beschränkung unterworfen 
habe, sofern nicht etwa objektive Momente die Annahme rechtfertigten, ein solcher 
Zweck sei nur fälschlich vorgeschützt, um eine Versammlung des politischen Vereins
	        
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