Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

402 III. Verordn. über 2rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 88. 
Verwaltung ihre Thätigkeit hinsichtlich der Versammlungen keineswegs auf diejenigen 
r Berathung öffentlicher oder politischer Angelegenheiten beschränkt, sondern viel- 
ach solche Zusammenkünfte ins Auge gefaßt, welche außerkirchlichen Religions- 
übungen, Wallfahrten, Leichenfeiern oder welche öffentlichen Lustbarkeiten, als Masken- 
zügen und Schüßgenfesten, dienten, wie denn auch der Bundesbeschluß vom 5. Juli 
1832 den Vollsversammlungen die Volksfeste beizählt (vergl. Förstemann, Prin- 
zipien des Polizeirechts S. 443). 
Wenn nun der Art. 29 der Verfassung das Recht der Preußen, sich friedlich 
und ohne Waffen zu versammeln, gewährleistet, aber bezüglich der Versammlungen 
in geschlossenen Räumen und derienigen unter freiem Himmel verschieden geregelt 
hat, so enthält jedenfalls der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Ver- 
fassungsurkunde selbst keine Andeutung dahin, daß das so geregelte Recht auf ge- 
wisse Arten von Versammlungen beschränkt sei. Insbesondere nicht dafür, daß eine 
solche Unterscheidung aus dem Zwecke der Versammlung entnommen wäre; denn 
der Kommissionsbericht der Zweiten Kammer vom 12. Oktober 1849 (Stenogr. Ber. 
S. 631) erkennt „Versammlungen“ ohne allen Zweck, als denjenigen des „Bei- 
sammenseins“ als möglich an und hat den Vorschlag, die Versammlungen mit straf- 
gesetzwidrigen Zwecken auszunehmen, abgelehnt, damit nicht aus der Aufnahme 
dieser an sich selbstverständlichen und darum überflüssigen Bestimmung eine dem 
Grundrechte widerstreitende Berechtigung der Polizei abgeleitet werden könne, im 
Voraus nach dem Zwecke einer Versammlung im geschlossenen Raume zu fragen. 
Dagegen darf dem Ausdrucke „Versammlung“ in dem Vereinsgesetze vom 
11. März 1850 nicht überall und ohne Weiteres dieselbe weitgehende Bedeutung, 
wie dem gleichen Ausdrucke der Verfassun besgelegt werden. Denn dies Gesetz 
beabsichtigt keineswegs, das verfassungsmäßige Versammlungsrecht in allen seinen 
Ausflüssen und nach jeber Richtung, in welcher es sich bethätigen kann, umfassend 
und erschöpfend zu regeln; das Gesetz will vielmehr — wie schon die Ueberschrift 
ergiebt — nur einzelne Arten seiner Ausübung, welche leicht zu Mißbräuchen 
führen können, seiner Disposition unterwerfen, um mißbräuchliche Auswüchse zu 
verhindern. Für jede einzelne seiner Vorschriften bleibt daher zu prüfen, ob dem 
darin gebrauchten Ausdrucke „Versammlung“ jene allgemeine Bedeutung beiwohnt 
oder eine besondere und engere, welche letztere dann nur aus dem Zusammenhange 
beziehungsweise aus den Materialien dieser Vorschriften entnommen werden darf. 
So erscheint es kaum zweifelhaft, daß der § 7, welcher das Erscheinen in 
Waffen gotern diese nicht lediglich Schmuck- oder Uebungsgeräth sind) verbietet, 
alle Versammlungen ohne Ausnahme trifft, da hier nur die bezügliche Ver- 
fassungsbestimmung reproducirt werden soll (Stenogr. Berichte 2. Kammer 1849/50 
S. 2773), und daß die 88 9, 10 und 11 alle diejenigen Versammlungen betreffen, 
welche unter freiem Himmel entweder als öffentliche oder als Volksversammlungen 
stattfinden, ohne daß der Zweck derselben, ob sie Berathungen oder der Ausführung 
von Handlungen z. B. Bittgängen, Leichenzügen dienen, hierbei einen Unter- 
schied macht. 
Bei Versammlungen in geschlossenen Räumen hat umgekehrt der § 1 des 
Gesetzes ausdrücklich nur nach Maßgabe des Zwecks diejenige Kategorie ausgesondert, 
welche es seiner beschränkenden Disposition unterwerfen will, indem es für diejenigen 
Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden 
sollen, die vorgängige Anzeige an die Ortspolizei erfordert. Gleichwohl ergiebt die 
Entstehungsgeschichte unzweideutig, daß der Gesetzgeber auch einen Unterschied nach 
Maßgabe der äußeren Erscheinung (der Art der Zusammenberufung) wenigstens 
hat ausdrücken wollen, daß er nämlich der Anzeigepflicht nicht „iede kleine, selbst 
in einem Privathause zur Besprechung irgend eines Gegenstandes von öffentlichen 
Interessen sich zusammenfindende Gesellschaft“ hat unterwerfen wollen. Denn der 
bezügliche Vorwurf einer zu weiten Wortfassung ist von der Kommission der Zweiten 
Kammer für beseitigt erachtet, „weil der Ausdruck „Versammlung“ auf solche kleinere 
Privatgesellschaften jedenfalls dann keine Anwendung erleiden könne, wenn dabei 
— wie hier im Gesetze — das Vorhandensein von „Vorstehern, Unternehmern, 
Ordnern 2c.“ vorausgesetzt werde, wodurch die Natur und der Umfang der hier 
gemeinten Versammlungen völlig außer Zweifel gestellt werde.“ (Stenogr. Berichte 
2. Kammer 1849 S. 516.) Zwar hat die Kammer selbst demnächst den vom Ab- 
geordneten Benzel beantragten Zusatz, wonach nur Versammlungen, „zu welchen 
eine öffentliche oder allgemeine Einladung ergeht“, getroffen werden sollten, un- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.