Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Verord. über ꝛc. des Versamml. u. Vereinigungsrechtes v. 11. Januar 1850. 813. 411 
A. Derjenige, welcher zu einer bei der Polizeibehörde nicht angezeigten Versammlung den 
Platz eingeräumt hat, kann sich vor Bebrafung nicht durch den Einwand schützen, er 
habe auf Grund der Versicherung des Einberufers der Versammlung angenommen, daß 
die erforderliche Anzeige stattgefunden habe. Das Gleiche gilt von denjenigen, welche 
als Leiter oder Redner aufgetreten sind. Hierbei kann nicht anerkannt werden, daß die 
genannten Personen sich in einem thatsächlichen Irrthum befunden foben, welcher die 
nwendung des § 59 Strafgesetzb. rechtfertigt. Denn wenn das Gesetz die Zulässigkeit 
einer Handlung ausdrücklich an die vorgängige Erfüllung einer polizeilichen Vorschrift 
knüpft, so ist der Handelnde unbedenklich verpflichtet, sich, bevor er die Handlung unter- 
nimmt, über die stattgehabte Beobachtung jener Vorschrift glaubhaft zu vergewissern 
und sich zu diesem Zwecke entweder eine amtliche Bescheinigung der zuständigen Polizei- 
behörde vorlegen zu lassen oder selbst die nöthigen Erkundigungen bei dieser Behörde 
einzuziehen. Unterläßt er dies im blinden Vertrauen auf die Versicherung eines Anderen, 
so handelt er jedenfalls fahrlässig und kann, wenn die Handlung, wie im Falle des 
§1, sich gesetzlich als eine bloße Uebertretung charakterisirt, zu deren Strafbarkeit ein 
fahrlässiges Handeln genügt, den Schutz des § 59 nicht in Anspruch nehmen (Ober- 
tribunal 4. Dezember 1862, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 3 S. 152; Kammergericht 
17. Februar, 7. Juli und 20. Oktober 1890, Johow Jahrb. Bd. 10 S. 249, Bd. 11 
S. 300 und 301). In Anm. A. Abs. 2 zu § 1, oben S. 380, ist bereits ausgeführt, daß es 
weder einer förmlichen Organisation oder Konstituirung, noch auch nur einer wirklichen 
Eröffnung der Versammlung bedarf, um der hier angedrohten Strafe zu verfallen. 
Eine vorschriftsmäßig angezeigte Versammlung verliert diese Eigenschaft nicht 
dadurch, daß sie nicht von dem anzeigenden Unternehmer selbst, sondern von einer an- 
deren Person in Vertretung des Unternehmers eröffnet worden ist. Denn das Gesetz 
schreibt nicht vor, daß der Unternehmer einer Versammlung derselben persönlich bei- 
wohnen oder dieselbe persönlich eröffnen müsse (Kammergericht 13. November 1890, 
Johow Jahrbuch Bd. 11 S. 299). 
Unter einer Rede ist jede Mehrheit zusammenhängender Worte zu verstehen 
(Reichsgericht 31. Mai 1886, Juristische Wochenschrift S. 259). 
B. Wo in diesem Gesetze eine Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder eine Ge- 
fängnißstrafe bis zu 6 Wochen angedroht ist (in §§ 12. 13, 16 Abs. 3, 17 Abft. 1), 
liegt — nach dem dem Reichsstrafgesetzbuch zu Grunde liegenden Strafensystem — eine 
Uebertretung vor, ist also nicht auf Gefängniß, sondern auf Haft zu erkennen und die 
nicht beizutreibende Geldstrafe in Haft umzuwandeln. Die mit schwererer Strafe be- 
drohten Handlungen sind Vergehen. Siehe Strafgesetzb. §§ 1, 18, 28, 29; Allgemeine 
Verfügung vom 28. Dezember 1870, betreffend die Zuständigkeit der Gerichte in Straf- 
sachen nach dem Bundesstrafgesetzbuch, Nr. 2, Just.-Minist.-Bl. S. 380; Obertribunal 
8. Juli 1872, Oppenhoff Wesonschung -Bd. 15 S. 278; Reichsgericht 27. November 
1885, Entscheidungen in Strafsachen Bd. 13 S. 93. 
So also auch hier. 
Die mehrfach unter Hinweis auf zwei, zudem nur für einen Theil der Monarchie 
ergangene Ministerialreskripte vom 20. August 1827 und 20. Juni 1831 aufgestellte 
Behauptung, daß unter den acht Tagen eine Woche zu verstehen sei, kann nicht für 
richtig erachtet werden, da dieser früher allerdings bestandene Sprachgebrauch zur Zeit 
der Emanation dieses Gesetzes jedenfalls in der Gesetzessprache nicht mehr zulasig war. 
C. Zuständig für die Uebertretungen des § 12 ist das Schöffengericht. 
8 13. 
Wenn, der Vorschrift des § 2 entgegen, die Statuten eines 
Vereins oder das Verzeichniß der Mitglieder, oder die eingetretenen 
Aenderungen in der bestimmten Frist zur Kenntniß der Ortspolizei- 
behörde nicht gebracht worden sind, oder wenn eine von der Orts- 
polizeibehörde erforderte Auskunft nicht ertheilt worden ist, so wird 
jeder Vorsteher des Vereins mit Geldbuße von fünf bis fünfzig 
Thalern bestraft, insofern er nicht nachweisen kann, daß die Anzeige 
oder die Einreichung des Verzeichnisses ganz ohne sein Verschulden
	        
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