III. Verordn. über ꝛc. des Versamml.- u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 816. 415
aus den §§ 8 und 16 bestraft wird, ohne daß es der Einleitung eines Verfahrens gegen
den Verein selbst oder gegen den Vorstand bedarf (Obertribunal 26. Februar 1873,
Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 14 S. 172). Und zwar kann für den Umfang des
Preußischen Gebiets auch über solche politischen Vereine die Schließung verhängt werden,
welche von einem außerhalb des Prrußüchen Staates residirenden Vorstand geleitet werden
(Obertribunal 11. November 1875, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 16 S. 3 Haben
Vorsteher, Ordner und Leiter sich wiederholt strafbar gemacht, so kann nicht bloß, sondern
muß auf die Schließung erkannt werden. Dabei bezeichnet der Ausdruck „wiederholt“
nicht die wiederholte oder fortgesetzte Begehung der strafbaren Handlung, also ohne Rück-
sicht auf den Rückfall, sondern eben den Rückfall nach vorheriger rechtskräftiger, wenn
auch nur einmaliger, Bestrafung (Obertribunal 17. Januar 1855, Goltdammer Archiv
DBd. 3 S. 255), einen Rückfall aber nicht derselben bereits früher bestraften Persönlichkeit,
sondern einen Rückfall überhaupt, also ohne Rücksicht darauf, ob der bereits früher be-
strafte und der jetzt straffällige Vorsteher 2c. identisch sind. Die Schließung ist, wie
Abs. 2 des Paragraphen ergiebt, eine absolute, ist nicht bloß eine relative gegenüber den
zeitigen Mitgliedern des Vereins. Gleichwohl kann sie, der Natur des strafrichterlichen
Urtheils entsprechend, nur durch ein gegen das bestrafende und schließende Urtheil ge-
richtetes strafprozessualisches Rechtsmittel und, abgesehen von der Staatsanwaltschaft, nur
von Denjenigen angefochten werden, welche durch das Urtheil bekrrast werden (Hber-
tribunal 19. November 1873, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 14 S. 713). Wird nur
der bestrafende Theil des Urtheils angefochten, so wird, als nachfolgender Punkt, auch
die Schließung nothwendig von der Anfechtung ergriffen. Richtet sich die Anfechtung
lediglich gegen die Schließung, so muß der Berufungsrichter zwar die Angemessenheit
bezw. Nothwendigkeit derselben prüfen, der Revisionsrichter aber nur die Nothwendigkeit,
weil die bloß fakultative Schließung als solche dem Ermessen des Gerichts anheimgegeben
und, wenn dieses es mit Würdigung der Schwere der Umstände hat walten lassen, durch
die — nur auf eine Verletzung des Gesetzes zu stützende — Revision nicht anfechtbar
ist (Reichsgericht 3Z. November 1879, Blum Annalen B-d. 1 S. 69). Auf Schließun
kann auch dann noch erkannt werden, wenn der Verein sich inzwischen bereits selbst aut-
gelost hat (Obertribunal 19. November 1873, Oppenhoff Bd. 14 S. 731). Dagegen
ann, wenn die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar
ist, z. B. wegen Verjährung, Mangels einer das sog. objektive Verfahren für zulässig
erklärenden gesetzlichen Bestimmung auf die Schließung nicht selbstständig erkannt werden
(vergl. Strafgesetzb. 8 42, Strafprozeßordn. §§ 477 ff.).
2. Wie das in Abs. 1 dieser Anm. allegirte Urtheil des Obertribunals vom
12. Februar 1879 ausspricht, ist unter einem vorläufig 9 lossenen Verein nur der von
der Ortspolizeibehörde, nicht auch der durch ein gerichtliches, noch nicht rechtskräftiges
Urtheil geschlossene Verein zu verstehen. Die Betheiligung an einem geschlossenen poli-
tischen Vereine ist auch an denjenigen strafbar, gegen welche früher eine Verurtheilung
nicht ergangen war (Oberappellationsgericht Berlin 14. Dezember 1872, Oppenhoff
Rechtsprechung Bd. 13 S. 663). Das Fortbestehen eines geschlossenen Vereins und die
weitere Betheiligung bei demselben ist etwas rein Thatsächliches. So kann es nicht allein
in der Abhaltung von Versammlungen und dem Inhalte der in denselben stattgehabten
Erörterungen, sondern auch in anderer Vereinsthätigkeit, z. B. in dem Vertriebe einer
Zeitschrift, gefunden werden (Obertribunal 25. Mai 1877 und 14. März 1879, Oppen-
hoff Rechtsprechung Bd. 18 S. 344 und Bd. 20 S. 141).
Das zur Anwendung kommende strafprozessualische Verfahren ist folgendes.
Die Polizeibehörde hat von der erfolgten Schließung des Vereins und von den
Gesetzwidrigkeiten, welche zur Schließung Anlaß gegeben haben, binnen achtundvierzig
Stunden der Staatsanwaltschaft an dem Landgerichte Anzeige zu machen, und diese bar
binnen weiteren acht Tagen entweder die Schließung des Vereins aufzuheben oder die
Anklage zu erheben oder die Voruntersuchung zu beantragen. Werden diese Fristen nicht
eingehalten, so hat jedes Vereinsmitglied das Recht der Beschwerde über die Säumniß
der Polizeibehörde bei der vorgesetzten Verwaltungsbehörde (siehe Anm. E. zum Eingange,
oben S. 378), über die der Staatsanwaltschaft bei der Oberstaatsanwaltschaft und dem
Justizminister. Da die Polizeibehörde die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu machen
hat, führt es bei einer Säumniß der ersteren regelmäßig am raschesten zum Ziele, wenn
die Mitglieder des Vereins bei der Staatsanwaltschaft mit dem Antrage vorstellig werden,
auf Grund des § 159 Strafprozeßordn. und 8 153 Gerichtsverfaßungege. von der
Polizeibehörde Auskunft zu verlangen. Dagegen existirt kein Beschwerderecht über die
vorläufige Schließung bezw. die staatsanwaltliche Aufrechthaltung der Schließung. Ob