III. Verordn, über ic. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. § 17. 417
Wer zu einer solchen Versammlung oder zu einem solchen Auf-
zuge vor Eingang der obrigkeitlichen Erlaubniß auffordert oder auf-
fordern läßt, oder darin als Ordner, Leiter oder Redner thätig ist,
wird mit Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern oder mit Gefängniß
von acht Tagen bis zu drei Monaten bestraft.
Diese Strafen sind jederzeit verwirkt, wenn die Versammlung
oder der Aufzug in Städten und Ortschaften oder auf öffentlichen
Straßen, oder wenn eine Volksversammlung in den Fällen des § 11
stattgefunden hat. In allen anderen Fällen sind die Theilnehmer
und selbst diejenigen, welche als Redner aufgetreten sind, nur dann
strafbar, wenn die Versagung der Genehmigung oder das nachträgliche
Verbot vorher öffentlich oder den Theilnehmern besonders bekannt
gemacht war. Wird die Nichtgenehmigung oder das Verbot während
der Versammlung oder während des Aufzuges selbst bekannt gemacht,
so kann sich wegen seiner späteren Betheiligung Niemand mit Un-
kenntniß der Nichtgenehmigung oder des Verbotes entschuldigen.
A. Die Strafbestimmungen des § 17 beziehen sich auf die §§ 9, 10, 11. Das Delikt des
ersten Absatzes ist Uebertretung, das des eeiten Vergehen. Zuständig ist das Schöffen-
us Vergl. Anm. B. zu § 12, oben S. 411.
B. Wie bereits in Anm. A. zu 8 9, oben S. 405, erörtert wurde, ist bei einer Anklage
egen Betheiligung an einer ohne Genehmigung öffentlich unter freiem Himmel abge-
* altenen Versammlung die Thatsache der nicht erfolgten Genehmigung entscheidend, und
at der Strafrichter nicht zu prüfen, ob die nachstehende Genehmigung aus einem ge-
nügenden Grunde versagt worden ist. Wenn im Uebrigen die Voraussetzungen des
8 74 Strasgesepb vorliegen, so wird die Bestrafung aus Abs. 1 nicht dadurch ausge-
Filahsere daß der Angeklagte zu der Versammlung, dem Aufzuge vor Eingang der
obrigkeitlichen Erlaubnun ausgefordert, also sich auch nach Abs. 2 strafbar gemacht hat
(Kammergericht 26. Januar 1885, Johow Jahrbuch Bd. 5 S. 281
C. Zu Abs. 2 ist unter der „obrie keitlichen Erlaubniß“ die zu § 9 e forderte „vorgängige
chriftiche. Genehmigung der Ortspolizeibehörde“ zu verstehen (Obertribunal 12. Sep-
tember 1877, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 18 S. 553). Daß in Folge der Auf-
forderung die Versammlung, der Aufzug wirklich stattgehabt sobe ist zur Bestrafung
des Aufforderers — als des intellektuellen Urhebers — nicht erforderlich. Wer also eine
solche Aufforderung erlassen oder veröffentlichen will, hat die gehtwe Pflicht, sich vor-
über den Eingang der obrigkeitlichen Erlaubniß zu vergewissern, und handelt auf
eine Gefahr, wenn er diese Pflicht verabsäumt (Obertribunal 3. Oktober 1862, Oppen-
off Rechtsprechung Bd. 3 S. 48; Kammergericht 9. November 1891, Johow Jahrbuch
d. 12 S. 241). Ist die Aufforderung in einer periodischen Druckschrift enthalten, so
macht sich der Redakteur nach § 20 des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 straf-
bar. Wie in Anm. D. zu Art. 27, 28 der Verfassungsurkunde (oben S. 108) dargelegt
worden, sind die §8 9, 41 des früheren Gesetzes über die Presse vom 12. Mai
1851 (Ges.--Samml. S. 273) noch heute geltendes Recht. Dieselben lauten:
§ 9.
Anschlagzettel und Plakate, welche einen anderen Juhalt haben, als An-
kündigungen über gesetzlich nicht verbotene Versammlungen, dürfen nicht an-
geschlagen, angeheftet oder in sonstiger Weise öffentlich ausgestellt werden.
§ 41.
Wer den Vorschriften der §§ 8, 9 und 10 zuwiderhandelt, hat eine Strafe
bis zu fünfzig Thaler oder eine Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen verwirkt.
Hat derjenige, welcher 7 der verbotenen Versammlung auffordert, die Anschlag-
zettel oder Plakate selbst angeschlagen rc., so findet — als das schwerere Strafgesetz —
§ 17 Anwendung.
Schwary, Preußische Verfassungsurkunde. 27