30 Einleitung. 81.
Der Akt fand, nach voraufgegangenem Gottesdienst, zur angeordneten
Zeit im Rittersaale des königlichen Schlosses statt. Der König leistete den
Eid stehend und unter Aufhebung der Schwurfinger der rechten Hand. In
gleicher Weise leisteten die Minister und die Mitglieder beider Kammern den
Eid. Der König hielt dabei eine Ansprache, in welcher er an die schweren
Opfer erinnerte, die ihm die neue Verfassung gekostet, und bat, ihm das Re—
gieren mit ihr möglich zu machen:
— — Das Werk, dem Ich heute Meine Bestätigung aufdrücken
will, ist entstanden in einem Jahre, welches die Treue werdender Ge—
schlechter wohl mit Thränen, aber vergebens wünschen wird, aus unserer
Geschichte herauszuringen. — In der Form, in der es Ihnen vorgelegt
worden, ist es allerdings das Werk aufopfernder Treue von Männern,
die diesen Thron gerettet haben, gegen die Meine Dankbarkeit nur mit
Meinem Leben erlöschen wird; aber es wurde so in den Tagen, in wel—
chen, im buchstäblichen Sinne des Worts, das Dasein des Vaterlandes
bedroht war. Es war das Werk des Augenblicks und trug den breiten
Stempel seines Ursprungs. Die Frage ist gerechtfertigt, wie Ich, bei
solcher Betrachtung, diesem Werke die Sanktion geben könne. Dennoch
will Ich es, weil Ich es kann, und daß Ich es kann, verdank' Ich Ihnen
allein. — Sie haben die bessernde Hand daran gelegt, Sie haben Bedenk—
liches daraus entfernt, Gutes hineingetragen und Mir durch Ihre treff—
liche Arbeit und die Aufnahme Meiner letzten Vorschläge ein Pfand ge—
geben, daß Sie die vor der Sanktion begonnene Arbeit der Vervollkomm—
nung auch nachher nicht lassen wollen und daß es Unserm vereinten redlichen
Streben auf verfassungsmäßigem Wege gelingen wird, es den Lebensbe—
dingungen Preußens immer entsprechender zu machen. Ich darf dies
Werk bestätigen, weil Ich es in Hoffnung kann. —
Sie — müssen Mir helfen und die Landtage nach Ihnen — wider
die, so die Königlich verliehene Freiheit zum Deckmantel der Bosheit
machen und dieselbe gegen ihren Urheber kehren, gegen die von Gott ein-
gesetzte Obrigkeit; wider die, welche diese Urkunde gleichsam als Ersatz der
göttlichen Vorsehung, unserer Geschichte und der alten heiligen Treue be—
trachten möchten; alle guten Kräfte im Lande müssen sich vereinigen in
Unterthanentreue, in Ehrfurcht gegen dieses Königthum und gegen diesen
Thron, der auf den Siegen unserer Heere ruht, in Beobachtung der Ge—
setze, in wahrhaftiger Erfüllung des Huldigungseides, sowie des neuen
Schwurs „der Treue und des Gehorsams gegen den König und des ge—
wissenhaften Haltens der Verfassung“; mit einem Worte: seine Lebensbe—
dingung ist die, daß Mir das Regieren mit diesem Gesetze möglich gemacht
werde; — denn in Preußen muß der König regieren, und Ich regiere
nicht, weil es also Mein Wohlgefallen ist, Gott weiß es! sondern weil
es Gottes Ordnung ist; darum aber will Ich auch regieren: — Ein freies
Volk unter einem freien Könige. — —
Jetzt aber und indem Ich die Verfassungsurkunde kraft Königlicher
Machtvollkommenheit hiermit bestätige, gelobe ich feierlich, wahrhaftig und
ausdrücklich vor Gott und Menschen, die Verfassung Meines Landes und
Reiches fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit
ihr und den Gesetzen zu regieren.