Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

Einleitung. 83. 37 
bei er der konstitutionellen Fraktion, später der nationalliberalen Partei ange- 
hörte. Am 23. Dezember 1891 ist er gestorben. 
Das Rönne'sche Werk, getragen von einer sehr ausgedehnten litterarischen 
Thätigkeit seines Verfassers auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, läßt schon 
durch seinen großen Umfang erkennen, daß es kein Lehrbuch ist. Eskist in 
einem einfachen, klaren und verständlichen Styl geschrieben. Das gewählte 
System ist nicht einwandsfrei, hält sich aber andererseits von jeder Künstelei 
fern und ermöglicht es, sich in den vier starken Bänden rasch zu orientiren. 
In dem Vorwort zur ersten Auflage verwahrt v. Rönne sich dagegen, sich ein- 
seitig auf einen Parteistandpunkt gestellt und aus diesem das Bestehende be- 
leuchtet zu haben. Mit jeder Auflage tritt allerdings seine politische Parteistellung 
deutlicher hervor, werden seine Ausführungen mehr und mehr von dem Be- 
streben geleitet, nicht blos die konstitutionelle repräsentative Doktrin als die 
allein richtige hinzustellen, sondern überhaupt die Rechte der Volksvertretung 
gegenüber denen der Krone zu betonen. Gewiß ist dies keine Empfehlung 
für ein staatsrechtliches Werk, aber es muß anerkannt werden, daß v. Rönne 
die Grenzlinien zwischen Recht und Politik, wenn er sie auch mehrfach streift, 
gleichwohl nicht überschreitet, daß seine Ueberzeugung stets eine wohlerwogene 
und daß er auch den Gegnern gerecht zu werden bemüht ist. Bei allen wich- 
tigeren Streitfragen führt er das ganze Material nebst den Gründen rc. pro 
und contra in sorgsamer, vielfach an eine ausgezeichnete civilprozessualische 
Relation erinnernden Weise vor, so daß jeglicher Gesichtspunkt zur Geltung 
kommt und die ganze Beweisführung von der Idee lauterer Gerechtigkeit und 
Wahrheitsliebe durchdrungen ist. Dabei ist seine Polemik bei aller sachlichen 
Entschiedenheit eine wohlwollende und rücksichtsvolle. Schwerer wiegt ein anderer 
Tadel. Das Werk ist nicht lediglich eine Materialiensammlung, ist im Gegentheil 
wissenschaftlich geplant und vorzugsweise auf den von H. A. Zachariüt für das 
Gemeine Deutsche Staatsrecht gezogenen Grundlinien aufgebaut. Aber v. 
Rönne ist ein landrechtlicher Jurist, dessen juristische Heranbildung lange vor 
der durch Bornemann und Koch angebahnten, durch Förster, Dernburg und 
Eccius durchgeführten Verbindung des Landrechts mit dem Gemeinen Rechte 
liegt; ihm fehlt daher die Schärfe der gemeinrechtlichen Schulung. Dieser 
Mangel macht sich nicht bloß bei manchen Kontroversen geltend, sondern viel- 
fach auch bei der Mittheilung des positiven Materials, welches prinzipiell zu 
begründen ihm nicht immer gelingt, so daß die zusammenhängende Lektüre des 
Werkes nicht selten ermüdend wirkt. Dafür dient allerdings der unvergleich- 
liche Reichthum des Werkes zur Entschädigung. Die ganze einschlagende Litte- 
ratur, nicht bloß die von dauerndem Werthe, sondern auch die vorübergehende 
des Tages, wird sorgsam vorgeführt. Das reiche, nahezu unübersehbare posi- 
tive Material wird, wobei der Verfasser eine beispiellose Kenntniß der ganzen 
Gesetzgebung und der parlamentarischen Verhandlungen offenbart, so vollständig 
dargelegt, daß kaum eine Frage des öffentlichen Preußischen Rechtes aufge- 
worfen werden kann, für welche nicht in dem Werke eine wenigstens für den 
ersten Bedarf genügende Antwort zu finden ist. Hiernach darf als der ein- 
zige wirklich unersetzliche Fehler des Werkes der Umstand betrachtet werden, 
daß dem Verfasser nicht verstattet gewesen ist, sein Werk noch einmal, also 
unter Heranziehung des so gründlich umgestalteten Gebietes der Selbstver- 
waltung, in fünfter vollständiger Auflage zu bearbeiten. Aber wenn das Werk 
auch ein von einer rastlosen gesetzgeberischen Thätigkeit schon jetzt in mehreren
	        
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