Vormort zur 1. AKuflage.
Eine Erläuterung der Preußischen Verfassungsurkunde nicht durch einzelne
Noten, sondern durch einen ausführlichen Kommentar ist so wünschenswerth,
daß nicht das Ob, sondern nur das Wie in Frage stehen kann. Bei Aus-
arbeitung des nachstehenden Kommentars habe ich mich von dem Gedanken
leiten lassen, daß ein staatsrechtliches Werk den Kreis seiner Leser weiter
stecken muß, als ein dem Civil- oder Prozeßrecht angehörendes Buch, sich nicht
bloß an Diejenigen wenden soll, welche als Beamte oder Mitglieder des Land-
tages an dem Verfassungsleben der Gegenwart selbstthätig Theil nehmen, son-
dern überhaupt an Alle, welche für den Staat und seine Verfassung das ge-
bührende Interesse hegen. Daher habe ich mich in erhöhtem Maße einer ge-
meinverständlichen, klaren und präzisen Schreibweise beflissen und das Material
so vollständig vorgeführt, wie für die Kenntniß des Verfassungsrechts erfor-
derlich ist, ohne beständig in anderen Büchern nachschlagen zu müssen. Auf
der anderen Seite bin ich stets eingedenk gewesen, daß die Verfassungsurkunde
ein Gesetz, ihr Inhalt Rechtssätze, ihre Kommentirung eine rechtswissenschaftliche
Arbeit ist. Ich darf versichern, daß ich nicht das Recht mit der Politik ver-
mischt, nicht politische Raisonnements statt juristischer Begründungen gegeben
habe. Ich glaube, daß in diesem Buche keine einzige Zeile zu finden ist, die
ich nicht als Jurist, unparteiisch und ohne Vorurtheil, geschrieben habe. Mag
immerhin, wie sie v. Schulze nennt, die Preußische Verfassungsurkunde eine
lex imperfecta sein, so kann doch auch auf diesem Gebiete die Wahrheit, vor
welcher schließlich selbst die klügste Lüge zerstiebt, nur Eine sein. Sie zu fin-
den, bin ich wissentlich keiner Schwierigkeit aus dem Wege gegangen.
Glückstadt, am Neujahrstage 1896.
E. S.