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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 5.
da die einzelnen verbotenen Handlungen in solchem Gewerbebetriebe bereits unter die
Strafbestimmung des § 117 Nr. 1 der Gewerbcordnung fallen. Dagegen darf die
Polizeibehörde von ihrer Zwangsbefugniß Gebrauch machen, wenn es sich um die
Schließung des zum unerlaubten Gewerbebetriebe bestimmten Lokals, die Wegnahme der
um Gewerbebetriebe dienenden Utensilien oder um ähnliche polizeiliche Maßnahmen
handelt. Darum kann auch darin eine doppelte Bestrafung einer und derselben Ueber-
tretung nicht gesunden werden, daß eine Prostituirte, welche bereits wegen Beziehens
einer ihr nach § 361 Nr. 6 des Strafgesetzbuchs verbotenen Wohnung mit der in diesem
Paragraphen angedrohten Strafe bestraft ist, außerdem auch durch Exekutivstrafen ange-
halten wird, die verbotene Wohnung wieder zu verlassen. Denn es ist ja die Aufgabe
der Polizei, nicht bloß die erfolgte Uebertretung gesetzlicher oder mit gesetzlicher Kraft
erlassener polizeilicher Vorschriften zur Bestrafung zu bringen, sondern auch den durch
das verbotene Handeln oder Unterlassen herbeigeführten ordnungswidrigen Zustand zu
beseitigen. Zu letzterem Zwecke bietet sich eben der Weg der administrativen Exekution
dar (Reskript des Ministers des Innern vom 15. März 1869. Verwaltungs-Minist.-Bl.
S. 74, und 25. März 1878, ebenda S. 83; Oberverwaltungsgericht 12. April 1878
ebenda S. 125; 26. Februar 1879, ebenda S. 232: 9. April 1379, Entscheidungen Bd.
5 S. 278; und 24. Juni 1882, Bd. 9 S. 275). Die vielfach erörterte Frage nach der
Zulässigkeit der Exekutivstrafe zur Durchführung des Impfzwanges — Imnpfgesetz vom
8. April 1874, Reichs-Gesetzbl. S. 31 — hat von dem Oberverwaltungsgericht durch
Urtheil vom 2. April 1892 (Entscheidungen Bd. 23 S. 384) eine durchgreifende Be-
antwortung erfahren. Es heißt dort nämlich:
Den zweiten in der Berufung des Beklagten geltend gemachten Einwand
anlangend, so hat der Gerichtshof in feststehender Rechtsprechung (vergl. u. a. das
Urtheil vom 12. April 1878 — M.-Bl. d. i. V. S. 125 — und Entscheid. Bd. 5
S. 281) angenommen, daß zur Erzwingung einer Unterlassung, welche bereits durch
eine allgemeine Polizeivorschrift (Gesetz oder Polizeiverordnung) unter Strafe gestellt
war, zwar die sonstigen Zwangsmittel des § 132 des Landesverwaltungzgesetzes,
aber nicht dasjenige der Androhung einer Geldstrafe aus Nr. 2 a. a. O. zulässig
ist. Dies ist von der Praxis (vergl. Reskript vom 15. März 1869 — M.-Bl. d.
i. V. S. 71 —, von Brauchitsch, die neuen Preuß. Verwaltungsgesetze Bd. 1
S. 110, Anmerkung 263), wie von der Wissenschaft (vergl. Meyer, Verwaltungs-
recht Bd. 1 S. 67, Löning, Lehrbuch des Verwaltungsrechts S. 252 und Rosin,
Polizeiverordnungsrecht S. 65) anerkannt, und zwar für die Erzwingung einer
durch die Strafnorm sowohl ver= wie gebotenen Handlung, wie denn auch für eine
verschiedenartige rechtliche Beurtheilung beider Fälle ein Grund von der Beklagten
nicht angeführt und auch anderwett nicht ersichtlich ist. Die hier fragliche Verfügung
enthält aber das völlig gleiche Verbot derselben Handlungen, wie die beiden Absätze
des die Kriminalstrafe androhenden § 14 des Reichsimpfgesetzes, so daß eine Er-
örterung darüber sich erübrigt, inwieweit in solchen Fällen, in welchen das durch
die Strafnorm und das durch die Einzelanordnung ausgedrückte Ge= oder Verbot
nach Gegenstand, Ziel oder Voraussetzung sich nicht vollständig decken, in welchen
insbesondere jenes nur eine Handlung und dieses die Fortdauer eines durch die
Handlung entstandenen polizeiwidrigen Zustandes hindern will, dennoch die An-
drohung polizeilicher Exekutiostrafen zulässig erscheinen könnte. Vielmehr ist hier
bei der völligen Identität der durch das Gesetz, wie durch die Einzelanordnung
erforderten Handlung die dieser Anordnung hinzugefügte Androhung einer Exekutiv-
strase rechtlich unstatthaft, wogegen die Polizei befugt bleibt, ihre rechtmäßige An-
ordnung, da nach der Sachlage deren Ausführung durch Dritte (Nr. 1 des § 132
des Landesverwaltungsgesetzes) unthunlich erscheint, gemäß der Nr. 3 a. a. O. durch
unmittelbaren Zwang durchzusetzen.
Eine besondere Form der Beschränkung der persönlichen Freiheit ist die zwangsweise
Vorführung, Sistirung. Diese steht den Gerichten nach besonderer gesetzlicher Vorschrift
in einer Reihe von Fällen (Civilprozeßordnung §§ 315, 579; Strafprozeßordnung 88
50, 134, 229, 235, 370, 371, 427, 466; Konkursordnung §§ 93, 98, und ebenso der
Strafvollstreckungsbehörde in dem oben sub ((, 3 bezeichneten Falle der Strafvollstreckung
zu. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft, soweit sie nicht Vollstreckungsbehörde ist, un-
mittelbare Erekutivgewalt nur im Fall des § 36 der Strafprozeßordnung, nämlich als
Ladungs- und Vollstreckungsorgan des Richters (Reichsgericht 22. November 1833,
Rechtsprechung Bd. 5 S. 726). Die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes (die
Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft, Gerichtsverfassungsgesetz § 153) haben bei der Er-