Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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1. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 7. 
Dienstgebäuden, zu welchen auch Kriegsfahrzeuge gehören, erfolgen durch Ersuchen der 
Militärbehörde, und auf Verlangen der Civilbehörde (Richter, Staatsanwaltschaft) unter 
deren Mitwirkung. Des Ersuchens der Militärbehörde bedarf es jedoch nicht, wenn die 
Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, welche in militärischen Dienstgebäuden aus- 
schließlich von Civilpersonen bewohnt werden (§ 98). Erfolgt die Beschlagnahme ge- 
legentlich einer Durchsuchung (Haussuchung), so kommen die oben S. 63/61 mitgetheilten 
8§8 108 bis 110 zur Anwendung; ist die Durchsuchung ohne richterliche Anordnung 
erfolgt, so sind die Bestimmungen des § 98 zu beachten. 
Die Beschlagnahme der Postsendungen und Telegramme ist zulässig in Straf- 
sachen und in Konkurssachen. 
Nach den 88 99 bis 101 der Strafprozeßordnung ist sie zulässig, wenn die Briefe, 
Sendungen und Telegramme an den Beschuldigten gerichtet sind, oder in Betreff der- 
selben Thatsachen vorliegen, aus welchen zu schließen ist, daß sie von dem Beschuldigten 
herrühren oder für ihn bestimmt sind und daß ihr Inhalt für die Untersuchung Be- 
deutung habe. Zu der Beschlagnahme ist nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge und, 
wenn die Untersuchung nicht bloß eine Uebertretung betrifft, auch die Staatsanwaltschaft 
befugt. Die Letztere muß aber den ihr ausgelieferten Gegenstand sofort, und zwar 
Brice und andere Postsendungen uneröffnet, dem Richter vorlegen. Die von der 
Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme tritt, auch wenn sie eine Auslieferung noch nicht 
zur Folge gehabt hat, außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen von dem Richter 
bestätigt wird. Die Entscheidung über eine von der Staatsanwaltschaft verfügte Beschlag- 
nahme, sowie über die Eröffnung eines ausgelieferten Briefes oder einer anderen Post- 
sendung erfolgt durch den zuständigen Richter. Von den getroffenen Maßregeln sind 
die Betheiligten zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungs- 
zweckes geschehen kann. Sendungen, deren Eröffnung nicht angeordnet worden, sind 
den Betheiligten sofort auszuantworten. Dasselbe gilt, soweit nach der Eröffnung die 
Zurückbehaltung nicht erforderlich ist. Derienige Theil eines zurückbehaltenen Briefes, 
dessen Vorenthaltung nicht durch die Rücksicht auf die Untersuchung geboten erscheint, 
ist dem Empfangsberechtigten abschriftlich mitzutheilen. 
Schriftliche Mittheilungen zwischen dem verhafteten Beschuldigten und dem Ver- 
theidiger kann, solange das Hauptverfahren nicht eröffnet ist, der Richter zurückweisen, 
falls deren Einsicht nicht gestattet wird, darf sie aber nicht beschlagnahmen bezw. zwangs- 
weise einsehen (Strafprozeßordnung § 148). 
Nach § 111 der Konkursordnung sind die Post= und Telegraphenanstalten ver- 
pflichtet, auf Anordnung des Konkursgerichts alle für den Gemeinschuldner — nicht bloß 
an dessen Adresse — eingehenden Sendungen, Briefe und Depeschen dem Konkursverwalter 
auszuhändigen. Dieser ist zur Eröffnung derselben berechtigt, der Gemeinschuldner kann 
aber die Einsicht und, wenn ihr Inhalt die Masse nicht betrifft, die Herausgabe derselben 
verlangen. Das Gericht kann die Anordnung auf Antrag des Gemeinschuldners nach 
Anhörung des Verwalters aufheben oder beschränken. 
Artikel 7. 
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Aus- 
nahmegerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft. 
A. 
Art. 7 kann im Fall des Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt werden. (Art. 111). 
B. Das Gerichtsverfassungsgesetz bestimmt in 
8 16. 
Ausnahmegesetze sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter 
entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Stand- 
rechte werden hiervon nicht berührt. 
Art. 7 der Verfassungsurkunde bezweckt, jede Willkür der Staatsverwaltung aus- 
uschließen, kraft welcher dice sich veranlaßt sehen könnte, an Stelle des ein für alle 
al durch das Gesetz bestimmten Gerichts ein anderes zu setzen. Das Gerichts- 
verfassungsgesetz giebt die gleiche Schranke nicht nur der Staatsverwaltung, sondern auch 
der einzesstccarlichen Gesetzgebung. Die durch das Gesetz bestimmte Ordnung der Gerichte 
darf nur reichsgesetzlich, nicht mehr staatsgesetzlich verrückt werden. 
Die Frage, welches Gericht in dem einzelnen Falle zur Verhandlung und Ent- 
scheidung der Sache berufen ist, wird durch die in dem Gerichtsverfassungsgesetze ge-
	        
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