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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 9.
betreffend die Errichtung und Erhaltung von Marksteinen Behufs der zur Legung
eines trigonometrischen Netzes über die sechs östlichen Provinzen der Monarchie zu
bestimmenden trigonometrischen Punkte vom 7. Oktober 1865 (Ges.-Samml. S. 1033).
Ebenso findet das Enteignungegeset natürlich keine Anwendung auf diejenigen Ent-
eignungen, welche durch die Reichsgesetzgebung geregelt sind. Die hier zu nennenden
Reichsgesetze sind das Gesetz, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, vom
7. April 1869 § 2 Nr. 5 (Bundes-Gesetzbl. d. Nordd. Bundes S. 105), das Gesetz,
betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen,
vom 21. Dezember 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 159) und das Gesetz über die Kriegs-
leistungen vom 13. Juni 1873 § 3 Nr. 4 (Reichs-Gesetzbl. S. 129).
Das Enteignungsgesetz vom 11. Juni 1874 bezieht sich nicht auf die Ent-
eignung von beweglichen Sachen. Für Festungen im Geltungsbereiche des All-
gemeinen Landrechts kann möglicher Weise einmal die Bestimmung § 7 A. L. R. 1 11
ur Anwendung kommen, daß bei entstehendem Getreidemangel der Staat berechtigt
ist, zur Abwendung einer drohenden Hungersnoth die Besitzer von Getreidevorräthen
ur Ausstellung derselben zum feilen Verkaufe, jedoch mit Vorbehalt ihres eigenen
Sedurfnisses, zu nöthigen. Mehrfache Bestimmungen über die Enteignung von
Mobilien enthalten ferner die genannten Gesetze vom 7. April 1869 und 13. Juni 1873,
das Gesetz über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom
13. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 52), das Gesetz, betreffend die Abwehr und
Unterdrückung von Viehseuchen, vom 23. Juni 1880 (Reichs-Gesetzbl. S. 153), das
Gesetz, betreffend die Ausführung des Reichsgesetzes über die Abwehr und Unter-
drückung von Viehseuchen, vom 12. März 1881 (Ges.-Samml. S. 128).
B. Art. 9 bezieht sich nach dem Vorgetragenen nur auf die Enteignung von Grundeigenthum
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durch Akte der Verwaltung. Er findet somit keine Anwendung auf die im Privatrecht
wurzelnden Beschränkungen, die sog. Legalservituten, und ebensowenig Anwendung auf
die durch Akte der Gesetzgebung erfolgenden Aufhebungen oder Beschränkungen, z. B. das
Gesetz über gemeinschaftliche Holzungen vom 14. März 1881 (Ges.-Samml. S. 261).
.Eine besondere Stellung zu Art. 9 nimmt die Polizei ein.
Wie bereits oben (S. 61) bemerkt wurde, ist es nach der zutreffenden Erklärung
des Allgemeinen Landrechts (8 10 II. 17) das Amt der Polizei, die nöthigen Anstalten
zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der
dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen.
Die näheren Bestimmungen sind zunächst in dem Gesetz über die Polizeiverwaltung vom
11. März 1850 (Ges.-Samml. S. 265) enthalten. Dasselbe ist durch Verordnung vom
24. Januar 1859 (Ges.-Samml. S. 72) und § 2 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend den
Rechtszustand des Jadegebietes, vom 23. März 1873 (Ges.-Samml. S. 107) in dem
Jadegebiet, durch Art. I. der Verordnung vom 22. Mai 1867 (Ges.-Samml. S. 729) in
der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf, durch § 1 der Verordnung vom 20. Sep-
tember 1867 (Ges.-Samml. S. 1534) in dem Oberamtsbezirk Meisenheim eingeführt.
Für die übrigen 1866 erworbenen Landestheile ist ergangen die Verordnung über die
Polizeiverwaltung in den neu erworbenen Landestheilen vom 20. September 1867 (Ges.=
Samml. S. 1529), welche in Folge von § 4 des Gesetzes, betreffend die Vereinigung
der Insel Helgoland mit der Preußischen Monarchie, vom 18. Februar 1891 (Gesetz-
Samml. S. 11) seit dem 1. April 1891 auch in Helgoland gilt. Im Kreise Herzog-
thum Lauenburg gilt das Gesetz über die Polizeiverwaltung im Herzogthum Lauenburg
vom 7. Januar 1870 (Offizielles Wochenblatt für das Herzogthum Lauenburg S. 13).
Das Gesetz vom 11. März 1850 ist in den Hohenzollern'schen Landen nicht ausdrücklich
eingeführt, doch gehören die §§ 11 und 12 zu denienigen die Instruktion zur Geschäfts-
führung der Regierungen in den Königlich Preußischen Staaten vom 23. Oktober 1817
ergänzenden und erläuternden Bestimmungen, welche durch die Verordnung vom 7. Ok-
tober 1852 über die Organisation der Verwaltungsbehörden der Hohenzollern'schen
Länder vom 7. Jannuar 1352 (Ges.-Samml. S. 35) auch dort Geltung erlangt haben
(Obertribunal 29. April 1858, Oppenhoff Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten
5 Aufl., § 332 Note 4). Die drei Gesetze vom 11. März 1850, 20. September 1867
und 7. Jannuar 1870 sind fast völlig gleichlautend.
Nach diesen Gesetzen, in Verbindung mit den §§ 136 bis 145 des Gesetzes über die
allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-Samml. S. 195, siehe unten
Art. 45 Anm. F.), dürfen die mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragten Behörden,
die Landräthe, die Regierungspräsidenten, die Oberpräsidenten, die Minister polizeiliche