72 I. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1860. Art. 11.
8 10.
B. Während nach Französischem Rechte die Ablegung des Klostergelübdes ohne civilrechtliche
Folgen ist, sind nach Gemeinem Rechte Klosterpersonen eigenen Vermögens unfähig,
fällt das, was sie haben und erwerben, an das Kloster, und können sie daher nicht be-
erbt werden. Das Allgemeine Landrecht — §8 1199 bis 1205 II. 11 — erklärt die
Klosterpersonen für bürgerlich todt, indem es verordnet:
1199.
Nach abgelegtem Klostergelübde werden Mönche und Nonnen in Ansehung
aller weltlichen Geschäfte als verstorben angesehen.
9 1200.
Sie sind unfähig, Eigenthum oder andere Rechte zu erwerben, zu besitzen oder
darüber zu verfügen. :*½?
Bei Erb= und anderen Anfällen treten diejenigen an ihre Stelle, denen ein
solcher Anfall zukommen würde, wenn jene gar nicht mehr vorhanden wären.
– 1202.
Sie sind, auch vor Ablegung des Klostergelübdes, über dergleichen künftigen
Anfall zu verordnen, und sich Etwas davon für die Zeit ihres Klosterlebens vor-
zubehalten, nicht berechtigt. / 1203
Eltern sind nicht schuldig, ihren Kindern, welche das Klostergelübde abgelegt
haben, Etwas zu hinterlassen, und diese sowenig, als das Kloster, können aus dem
Nachlasse der Eltern ein Erb= oder Pflichttheil fordern.
8 1204.
Haben Eltern solchen Kindern in einer an sich zu Recht beständigen letzt-
willigen Verordnung Etwas ausgesetzt, so erhält das Kloster, solange der Geistliche
lebt, die Zinsen davon mit 4 von 100; nach dessen Ableben aber fällt von dem
Hauptstuhle soviel, als gesetzmäßig einem Kloster vermacht werden kann, an dieses,
und der Ueberschuß an die Erben des Testators.
§ 1205.
Doch steht den Eltern frei, den Rückfall der sonst gesetzmäßig erlaubten
Summe an das Kloster in ihrer letztwilligen Verordnung zu untersagen.
Diese Bestimmungen, insbesondere die §§ 1199 und 1200, sind durch Art. 10
nicht aufgehoben, da derselbe nur mit der Abweisung des bürgerlichen Todes als Straf-
mittels, nicht als einer der civilrechtlichen Folgen des Klostergelübdes zu thun hat. Ebenso-
wenig sind sie beseitigt durch die spätere Gesetzgebung, gelten also auch gegenwärtig noch.
Sie find ergangen wesentlich im öffentlichen Interesse, um der Zuwendung von Ver-
mögensmassen an Klöster gewisse Schranken zu setzen, und ihnen muß somit die Wirkung
sogenannter zwingender Gesetze zuerkannt werden. Sie kommen daher in Ansehung des
im Inlande befindlichen Vermögens allen Ordensleuten gegenüber in Betracht, mögen
dieselben auch ihr Domizil außerhalb Preußens haben oder gar einem anderen Staate
angehören. Die Voraussetzung ist aber, daß das Gelübde nicht bloß ein zeitweiliges,
sondern ein dauerndes, lebenslängliches ist. Dagegen macht es keinen Unterschied, ob
das Gelübde ein votum solennec oder ein votum simplex, für einen Orden oder für
eine Kongregation abgelegt ist, denn das Allgemeine Landrecht statuirt einen Unterschied
weder zwischen dem feierlichen und dem einfachen Gelübde, noch zwischen Orden und
Kongregation. Der Zustand des bürgerlichen Todes hört auch nicht mit der Entbindung
von dem Gelübde auf, sondern erst mit dem wirklichen Austritt aus dem Kloster, mag
letzterer auch wider Willen der geistlichen Obern erfolgen. Siehe die Entscheidungen:
Obertribunal 4. Februar 1861, Striethorst Archiv Bd. 40 S. 230, und 11. De-
zember 1866, ebenda Bd. 65 S. 182; Kammergericht 26. Oktober 1885, 1. Mai 1888
und 5. April 1893, Johow Jahrbuch Bd. 6 S. 26, Bd. 8 S. 117, Bd. 13 S. 70.
Artikel 11.
Die Freiheit der Auswanderung kann von Staatswegen nur in
Bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden.
Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.
A. Der Rechtsbegriff der Auswanderung ist zu bestimmen als das Verlassen des Reichsge-