mich nicht näher einlassen, als in der Beziehung, dass ich
mein Bedauern ausdrücke, dass es noch ein deutsches Land
gibt, welches keine Verfassungsstreitigkeiten haben kann, weil
es keine Verfassung hat.* Cybichowsky*) und Schäfer®) ver-
meinen diese Aeusserung als Beweis dafür anführen zu dürfen,
dass unter Verfassungsstreitigkeiten nur Streitigkeiten über die
Verfassungsurkunde oder „Streitigkeiten aus einer formalen
Verfassung* zu verstehen seien. Dieser Argumentation ist
nicht beizutreten. Denn einmal darf man einer derartigen in
einer gesetzgebenden Körperschaft gefallenen Aeusserung, auch
wenn sie, wie im vorliegenden Falle, unwidersprochen bleibt,
niemals die Kraft authentischer Interpretation zusprechen.
Solche Aeusserungen bleiben oft unbeantwortet, sei es, weil
sie nicht verstanden werden, sei es, weil man ihnen augen-
blicklich oder überhaupt zu wenig Bedeutung beilegt, um
darauf zu entgegnen. Schweigen darf in derartigen Fällen
nicht stets als Zustimmung aufgefasst werden. Es ist deshalb
gefährlich, Aeusserungen irgendwelcher Abgeordneten als Be-
weismittel, insbesondere als allein massgebende Beweismittel
bei der Auslegung von Gesetzesbestimmungen zu verwerten.
Man kann sie höchstens als Hilfsmittel bei der Interpretation
anziehen, und auch als solche behalten sie untergeordnete
Bedeutung. — Im vorliegenden Falle kommt hinzu — darin
ist Laband®) Recht zu geben — dass die Bemerkung des
Abgeordneten Wiggers nicht dahin zielte, die Bedeutung des
Artikels 70 der Verfassung zu beleuchten, sondern sie bezweckte,
‘die Aufmerksamkeit auf die Verfassungszustände Mecklenburgs
zu lenken. Die ganze Ausdrucksweise lässt diese Absicht
augenscheinlich erkennen.
Beide Gründe verbieten es, der Argumentation Cybichowskys
und Schäfers, wie sie oben gekennzeichnet wurde, beizutreten.
Wir sahen, Cybichowsky und Schäfer setzen Verfassung
gleich Verfassungsurkunde; sie fassen also das Wort Verfassung
%) Cybichowsky, Art. 76 der Reichverfassung.
6) Schäfer, Die richterliche Tätigkeit des Bundesrats auf Grund des
Art. 76 der Reichsverfassung S. 33.
6) Laband, im Archiv für öffentliches Recht 17, 599.
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