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ll. Das bei Erledigung der Verfassungsstreitigkeiten
zu beobachtende Verfahren.
a) Allgemeine Vorschrift.
Der Bundesrat hat seine Zuständigkeit zu prüfen.
Bevor der Bundesrat in die rechtliche Erörterung des
Streitfalles eintritt, hat er in jedem konkreten Falle seine Zu-
ständigkeit zu prüfen. Die bei dieser Kompetenzprüfung in
Betracht kommenden Fragen sind die vorstehend erörterten.
Ihr Ergebnis kann ein doppeltes sein.
Entweder kann der Bundesrat nach einer vorläufigen
Untersuchung der Sach- und Rechtslage zu der Ueberzeugung
kommen, dass seine Zuständigkeit nicht, oder vorläufig nicht
begründet sei; nicht: weil z. B. eine Verfassungsstreitigkeit
im Sinne des Gesetzes nicht vorliege, vorläufig nicht: weil
der Streit kein gegenwärtig schwebender, sondern ein für die
Zukunft drohender sei, oder „weil zurzeit kein hinreichender
Anlass zur Erledigung gegeben sei" (vgl. den Beschluss des
Bundesrates in der Lippeschen Angelegenheit vom 5. Januar
1899). Im letzteren Falle hat der Bundesrat die ihn anrufende
Partei in aller Form dahin zu bescheiden, dass eine Erledigung
des Streites durch ihn vorläufig ausgeschlossen sei. Der Antrag
der Partei wird formgerecht zurückgewiesen, so dass es, wenn
die Streitigkeit später akut wird, eines neuen Antrages bedarf.
Andernfalls würde der Bundesrat, sobald der anfangs seine
Zuständigkeit ausschliessende Grund fortgefallen wäre, von
Amts wegen, ohne dass es eines erneuten Änrufens seitens
einer Partei bedürfte, in Tätigkeit treten müssen.
Oder aber der Bundesrat hält sich für zuständig. Als-
dann hat er die Streitigkeit gütlich auszugleichen oder, wenn
dies nicht gelingt, sie im Wege der Reichsgesetzgebung zur
Erledigung zu bringen. Und zwar aus eigener Initiative.
Wie auch Haenel!) ganz mit Recht bemerkt, dass „eine
Initiative des Reichstages hier lediglich in dem Sinne einer
I) Haenel, Staatsrecht $S. 571.