Full text: Die Zuständigkeit des deutschen Bundesrates für Erledigung von Verfassungs- und Thronfolgestreitigkeiten.

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sich erforderlich machen — und dieser Fall tritt immer dann 
ein, wenn die Einigungsversuche des Bundesrates fehlschlagen —, 
die Organe der Reichsgesetzgebung vereint diese Entscheidung 
treffen sollen. Die Aufnahme dieser Bestimmung in die Reichs- 
verfassung ist aus dem Gedanken hervorgegangen, der Bundes- 
rat dürfe um deswillen nicht allein zur Entscheidung befugt 
sein, weil er eine der einen bei jeder Verfassungsstreitigkeit 
auftretenden Partei — der Regierung — im Wesen gleich- 
artige Körperschaft ist. Partei bei der Verfassungsstreitigkeit 
ist ja regelmässig die Regierung; der Bundesrat aber ist das 
Organ, welches gebildet wird aus den Vertretern der ver- 
bündeten Regierungen. Nun würde an sich die Gefahr be- 
stehen, dass, falls dem Bundesrate die Entscheidung einer 
Verfassungsstreitigkeit übertragen würde, er von vornherein 
befangen, und zwar befangen zugunsten der Regierung, dem 
Streite gegenüberstehen würde. Um jeglichem Verdacht einer 
solchen Parteilichkeit vorzubeugen, schien die Aufnahme der 
genannten Bestimmung erforderlich. 
Zur Begründung des Gesagten mag die Bemerkung dienen, 
dass der Abgeordnete Braun im verfassungsberatenden Reichs- 
tage sich dahin aussprach: „Bringt der Bundesrat eine Ver- 
mittelung nicht zustande, so soll die Gesetzgebung entscheiden, 
d. h. der Bundesrat und der Reichstag. Der Reichstag hat 
also ein Veto in dieser Sache, und ich denke, er wird davon 
einen vernünftigen Gebrauch machen“. Und Arndt sagt: 
„dass nicht der Bundesrat allein, wie im Falle des Abs. 1, 
sondern der Reichsgesetzgeber den Streit zur Erledigung 
bringen, d. h. das zuständige Gericht auswählen soll, erklärt 
sich daher, dass man bei Verfassungsstreitigkeiten die Volks- 
vertretung, d. h. den Reichstag, nicht fortlassen zu dürfen 
glaubte“.!) Wie eine der Regierung gleichartige Behörde, so 
soll auch eine die Volksvertretung repräsentierende Körper- 
schaft bei der Entscheidung mitwirken.?) 
  
1) Arndt, Staatsrecht S. 113. 
2) Weitere die angeführte Bestimmung rechtfertigende Erwägungen 
enthält das Schlusswort dieser Untersuchung.
	        
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