Full text: Die Zuständigkeit des deutschen Bundesrates für Erledigung von Verfassungs- und Thronfolgestreitigkeiten.

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andererseits, sofern ein Bundesfürst nicht in der Eigenschaft 
als Staatsoberhaupt, sondern in anderer Weise beteiligt ist, 
von einem Streite zwischen verschiedenen Bundesstaaten nicht 
die Rede sein kann. 
Danach können unter den Begriff der „Streitigkeiten 
zwischen verschiedenen Bundesstaaten“ Thronfolgestreitigkeiten 
nur dann gebracht werden, wenn feststeht, dass in ihnen die 
ihre Ansprüche durchsetzenden Agnaten als Vertreter von 
Bundesstaaten auftreten. 
Diese Frage stand bislang offen. Sie hat ihre Be- 
antwortung erfahren in dem anlässlich des Lippeschen Erb- 
folgestreites ergangenen Beschluse des Bundesrates vom 
5 Januar 1899. Die Sachlage war damals folgende: 
Am 20. März 1895 verstarb in Lippe der regierende 
Fürst Woldemar ohne Hinterlassung von Nachkommen. In 
der Regierung des Fürstentums folgte ihm als letzter lebender 
Vertreter der Hauptlinie des lippeschen Hauses — Lippe- 
Detmold — sein Bruder Alexander, der ebenfalls ohne Nach- 
kommen, ausserdem geistig umnachtet war. Für ihn war 
eine Regentschaft einzurichten. Ansprüche auf den Thron 
und auf die Regentschaft erhoben die drei lippeschen Neben- 
linien Lippe-Biesterfeld, Lippe-Weissenfeld und Schaumburg- 
Lippe-Alverdissen. Zum Regenten war bzw. wurde durch ein 
Dekret des Fürsten Woldemar vom Jahre 1890 und durch 
das Regentschaftsgesetz vom 24. April 1895 vorläufig Prinz 
Adolf von Schaumburg-Lippe ernannt. Die Rechtmässigkeit 
dieser letzteren Massnahme wurde von den Linien Biester- 
feld und Weissenfeld bestritten und die Entscheidung des 
Streites auf Grund des Art.76 Abs.2 R.V. dem Bundesrate 
übertragen. Dieser sprach seine Unzuständigkeit aus, worauf 
sich die Parteien auf ein Schiedsgericht unter dem Vorsitze 
des Königs Albert von Sachsen einigten. Dieses erklärte in 
seinem Schiedsspruche vom 22. Juni 1897, dass der Graf 
Ernst zu Lippe-Biesterfeld zur Regierungsnachfolge in dem 
Fürstentum Lippe berechtigt und berufen sei. Da der Schieds- 
spruch nur die Thronfolgefähigkeit des Grafen Ernst, nicht 
auch seiner Deszendenzen aussprach, entbrannte über diese
	        
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