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können. Und doch ist die kurze Zeit später erfolgte Tarif-
erhöhung auf den österreichischen Staatsbahnen, welche nicht
5 Procent, sondern 10—20 Procent betrug, ohne jeden Wider-
spruch aufgenommen worden. Es drängt sich aber von selbst
die Frage auf, ob der beabsichtigte finanzielle Effekt mit der
Erhöhung der Tarife auch wirklich erreicht wurde: Die
Antwort ergiebt sich aus folgender Gegenüberstellung. Das
Jahr 1891, in welchem (1. Juli) die Tarifermässigung auf den
Staatsbahnen durchgeführt wurde, hat eine Verzinsung von
2,57 Procent des investirten Kapitals ergeben; im Jahre 1892
(15. Juli) wurde mit der Tariferhöhung begonnen, diese 1893
fortgesetzt und als finanzieller Effekt ist für das Jahr 1895 eine
geringere Verzinsung des Anlagekapitals, nämlich 2,53 Procent,
zu verzeichnen als im Jahre 1891. Ob die im Jahre 1896 er-
folgte weitere Erhöhung des Gütertarifess an dem bisherigen
Ergebniss etwas ändern wird, muss angesichts der im Eisen-
bahnbetriebe wahrzunehmenden fortgesetzten Tendenz der Aus-
gabensteigerung wohl bezweifelt werden.
Diese Ergebnisse der Staatsbahnpolitik haben vielfach zu
ernsten Betrachtungen herausgefordert und ihren Reflex sowohl
in der Literatur!) als auch im Parlamente gefunden. Speciell
J. Kaizl gebührt das Verdienst, den Nachweis geführt zu
haben, dass die Transportkosten unter den preisbestimmenden
Elementen nicht jenen bedeutungsvollen Rang einnehmen, der
ihnen gewöhnlich beigemessen wird. „Was früher noch keinem
Menschen in den Sinn gekommen mit der Verstaatlichung der
Eisenbahnen,“ sagt Kaizl, „ist jetzt auf dem Plane erschienen. Die
Eisenbahn als berufsmässig philanthropisches Institut, die Eisen-
bahn als essentielle passive Unternehmung, die Eisenbahn als
spanische Wand für officiell verpönte Unternehmungen. Diese
1) J. Kaizl, Passive Eisenbahnen. Wien 1895.
A, Eder, Die Eisenbahnpolitik Oesterreichs nach ihren finan-
ziellen Ergebnissen. Wien 1894.
Weichs-Glon, Das finanzielle und sociale Wesen der
modernen Verkehrsmittel. Tübingen 1894.