Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 237
des letzten Kriegs einen geringen Aufwand bei den betreffenden Titeln für die
laufende Unterhaltung erwarten lasse. Nach dem Maßstab dieser Vorlage
glaubte der Abg. Lasker bei der Generaldebatte des Haushalts-Etats be-
rechnen zu können, daß das Militärbudget künftig die Summe von 104 Mill.
Thlr. erreichen, der Betrag für jeden Mann sich von 225 auf 249 Thlr.
steigern werde, und der Kriegsminister gab ihm, ohne sich auf Details
einzulassen, darin vollkommen Recht: „daß der nächste Jahresetat dem Reichs-
tag eine größere, höhere Forderung bringen werde." Es lag in der Natur
der Sache, daß die gegebenen Erläuterungen Anträge auf einen Abstrich an
der geforderten Pauschsumme oder mindestens eine Resolution hervorrufen
mußten: daß man durch die Bewilligung des verlangten Betrags den künf-
tigen Beschlüssen über den erwarteten Specialetat für 1873 in keinerlei Weise
präjudiciren wolle. Zwei solche Anträge wurden auch wirklich eingebracht.
Die Fortschrittspartei beantragte durch die Abgg. v. Hoverbeck und Richter
einen Abstrich von 6,173,804 Thlrn., Deckung etwaiger Mehrausgaben für
1872 durch ausgedehnte Beurlaubungen, und Verhütung einer etwaigen künf-
tigen Erhöhung einzelner Etats-Positionen durch Herabsetzung der Friedens-
präsenzstärke und Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie.
Der zweite, von Lasker und v. Stauffenberg, ohne vorgängige Consultirung
ihrer (der nationalliberalen) Partei, gestellte Antrag gieng nicht so weit. Sie
begehrten nur eine Verminderung des verlangten Pauschquantums um
1,421,198 Thlr. — d. h. um den Betrag der für die erst im nächsten Herbst
zur Einstellung gelangenden Recruten aus Elsaß-Lothringen zu viel verlangten
1,083,500 Thlr. und der beabsichtigten Besoldungszulagen von 337,698 Thlrn.
— und beantragten zugleich: den Reichskanzler aufzufordern, schon jetzt darauf
Bedacht zu nehmen, daß bei der zukünftigen Aufstellung des Friedensetats
das bisherige Pauschquantum nicht überschritten werde. Der Beifall, mit
welchem der Antrag Lasker-Stauffenberg in weitern parlamentarischen Kreisen
aufgenommen wurde, führte dazu, daß der schon vorher vereinzelt aufgetauchte
Gedanke: ob es nicht vielleicht am besten wäre, die bis zum 31. December
geltenden Verfassungsbestimmungen über den Militäretat gleich auf drei Jahre
ausdehnen, plötzlich in vieler Munde war und Graf Bethusy-Huc war es, der
diesen Gedanken zuerst öffentlich aussprach. Am 23. November traten die
Commissarien des Reichstags und des Bundesraths zur Besprechung dieses
neuen Vorschlags zusammen. Der Kriegsminister Graf Roon erklärte: er
habe allerdings nicht den Muth gehabt, mit einem solchen Antrag vor den
Reichstag zu treten; wenn er aber auf die Mehrheit des Hauses dafür rechnen
könne und die Zustimmung des Bundesraths finde, so sei er bereit, selbst die
Initiative zu ergreifen. Er bestand übrigens zugleich darauf, daß man das
Pauschquantum für das elsaß-lothringische Contingent für das ganze Jahr
1872 bewillige und die vorgeschlagenen Gehaltszulagen genehmige. Sobald
man, nachdem die national-liberale Partei sich in einer ersten Fractions-
Sitzung mit 43 gegen 26 Stimmen dafür erklärt hatte, einer Mehrheit des
Reichstags sicher zu sein glaubte, beschlossen die betreffenden Bundesrathsaus-
schüsse am 25. Nov. Morgens die Verlängerung des Pauschquantums für
3 Jahre zu empfehlen. Der Bundesrath aber faßte seinen entsprechenden
Beschluß erst am Abend des Tages, weil Hr. v. Mittnacht es für nothwendig
gehalten hatte, noch vorher nach Stuttgart zu telegraphiren.
26. Nov. (Bayern.) In Kitzingen bildet sich ein Protestantenverein im
Anschluß an den deutschen Protestantentag, der erste im diesseitigen
Bayern.
27. „ (Deutsches Reich.) Bundesrath: läßt dem Reichstage einen
Antrag zugehen, aus der französischen Kriegsentschädigung die Kosten
den Gemeinden und Staaten zurückzuzahlen, welche diese im Reichs-